iesenabendbrot
Hier liegt eine tote Herzogin, die schönste der Welt, die Gemahlin
von Sir Howel, Herzog der Bretagne. Der Riese hat sie vergewaltigt
und dabei getötet und bis zum Nabel aufgeschlitzt. Edle Dame, sagte der König,
ich komme von dem edlen Eroberer König Artus, um für seine Untertanen mit diesem
Tyrannen zu verhandeln. Was sollen solche Verhandlungen, entgegnete sie, er
gibt nichts auf den König noch auf sonst jemanden, aber wenn Ihr die Gemahlin
des Artus, Lady Ginevra, gebracht hättet, würde er sich mehr freuen, als wenn
Ihr ihm halb Frankreich geschenkt hättet. Hütet Euch, kommt ihm nicht zu nahe,
er hat fünfzehn Könige besiegt und sich einen Mantel voller kostbarer Edelsteine
machen lassen, der mit den Barten verziert ist, die sie ihm letzte Weihnachten
geschickt haben, um seine Gunst zu gewinnen und ihr Volk zu retten. Wenn Ihr
mit ihm reden wollt, sprecht mit ihm beim Abendessen an jenem großen Feuer.
Nun gut, sagte Artus, ich will meine Botschaft trotz Eurer schrecklichen Worte
ausrichten. Damit ging er bis zum Gipfel des Berges und sah den Riesen ohne
Hosen bei der Abendmahlzeit sitzen, an einem Menschenbein
nagen und seine mächtigen Glieder am Feuer wärmen. Drei schöne Mädchen drehten
drei Spieße, an denen zwölf neugeborene Kinder steckten wie junge Vögel. Als
Artus dieses gräßliche Bild sah, jammerte es ihn so, daß sein Herz vor Kummer
blutete, und er rief ihm zu: Der Weltenschöpfer gebe dir ein kurzes Leben und
einen schändlichen Tod, und deine Seele nehme der Teufel. Warum hast du diese
unschuldigen Kinder und diese Herzogin ermordet? Erhebe und wehre dich, du Vielfraß,
denn heute sollst du von meiner Hand sterben. Da sprang der Vielfraß auf, ergriff
eine große Keule und schlug auf den König ein, daß seine
Krone zur Erde fiel. Der König traf ihn mit dem Schwert,
schlitzte ihm den Bauch auf
und schnitt ihm das Mannesglied ab, daß die Gedärme
herausfielen. Da warf der Riese seine Keule weg und umklammerte den König mit
den Armen, daß er ihm fast die Rippen eindrückte. Darauf knieten die drei Mädchen
nieder und riefen Christus um Hilfe und Beistand für Artus an. Dann wälzte sich
Artus herum, daß er einmal unten und einmal oben lag. Und in diesem Ringen rollten
sie den Berg hinab, und beim Rollen erstach ihn Artus mit dem Dolch.
- (
artus
)
Riesenabendbrot (2) Schon Carduino, in Cantari di Carduino (II, 28), Ritter des Königs Artus, hoch zu Ross mit einem Edelfräulein und einem Zwerg, hörte plötzlich eine Klage aus dem Wald kommen. Er nähert sich ganz langsam und sieht zwei Riesen vor einem großen Feuer (eine typische Gewohnheit der Riesen, zur Abendessenszeit ein großes Feuer anzuzünden): Der eine briet gerade eine Hirschkuh mitsamt dem Fell, dem Geweih, den Innereien und den Hufen (die Riesen pflegen Vollwertkost zu essen, was sie ablehnen, sind Töpfe, Kochlöffel und die Vorstellung eines Gewürzes, einer Hirschkuh als Ragout, eines Geschnetzelten oder Gulasch oder einer Hirschkuh in der Pfanne mit Kartoffeln, die Kartoffeln gab es im Übrigen nicht vor Magellans Expedition; Der erste, der sie erwähnt, ist Antonio Pigafetta in seinem Bericht von 1525, und ich zweifle daran, dass irgendein Riese in späterer Zeit diesen Bericht gelesen haben könnte und sich dann eine Hirschkuh mit Rosmarin und Kartoffeln vorstellte, denn die Riesen haben keine Geduld und keinerlei kulinarische Tradition außer der Unterscheidung von Rohem und Gekochtem).
Carduino kommt also an, und der eine Riese brät eine Hirschkuh auf dem Feuer
(ich sage brät, aber was die Riesen in Wirklichkeit tun, ist anbrennen oder
sengen), während der andere ein schönes fünfzehnjähriges Mädchen fest in der
Hand hält. Der erste Riese nimmt impulsiv, ohne viel Federlesens zu machen,
die anbratende (das heißt gerade ansengende) Hirschkuh und wirft sie auf Carduino,
ohne sich zu fragen, ob es eine Waffe ist oder ein Braten, denn offenbar sind
die beiden Dinge austauschbar. Nachdem Carduino dem Braten ausgewichen ist (und
den Riesen umgebracht hat), nimmt der andere ein Scheit (das der brennende Stamm
einer Eiche ist) aus dem Feuer. Carduino weicht auch dem Scheit aus, und auch
der zweite Riese wird umgebracht. - Ermanno Cavazzoni, Das kleine Buch der Riesen. Berlin
2010
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