entner,
frustrierter
Die Verbrecher fuhren fort zu sündigen, sich in leichtsinnigster Weise
bloßzustellen, immer wieder fingen sie sich in denselben Schlingen — ihnen fehlte
die Originalität, der Schmiß, die individuelle Handlungsweise, die Genialität!
Und ganz langsam und allmählich, wie ich immer wieder über diesem Gedanken brütete,
tauchte in mir der glühende Wunsch auf, selbst ein Verbrechen zu begehen, das
unmöglich aufzuklären sei. Ich konnte mir ja hundert
solche Verbrechen ersinnen, bis ins kleinste ausdenken und mir einbilden, daß
ich sie beging; aber würden sie sich auch in der Praxis wirklich so ausführen
lassen? Der Zufall sollte darüber bestimmen. Ich brannte darauf, mit dem Schwersten
zu beginnen und einen Mord zu begehen; ich wollte die Welt erschrecken und äffen,
ganz besonders diese Welt, die ich - als pensionierter Polizeidetektiv - verlassen
hatte. Äußerlich erschien ich ruhig und verkehrte wie gewöhnlich mit den Leuten.
Innerlich aber wurde ich verzehrt von dem leidenschaftlichen Wunsch, der mich
erfüllte. Ich beschäftigte mich fortwährend mit meinen Lieblingstheorien und
paßte sie im Geiste jedem an, der mir in den Weg kam. Wenn ich mit einem Freunde
oder Bekannten fröhlich plauderte, überlegte ich innerlich, wie ich ihn ermorden
könne, ohne irgendeine Spur zu hinterlassen. Es ist keiner unter meinen Freunden
und Bekannten, mit dem meine Gedanken sich nicht in solcher Weise beschäftigt
hätten. Es gibt keine öffentliche Persönlichkeit — fürchten Sie nichts, Sir
—, die ich nicht in geheimnisvoller und unentdeckbarer Weise zu ermorden geplant
hätte. Ha, ich hätte eine Schule für Verbrecher errichten mögen, hätte sie aufklären
mögen, wie konventionell sie vorgehen, wie langweilig meistens die Ausführung
ihrer Taten vor sich geht. Alles künstlerische Gefühl und jede artistische Zurückhaltung
fehlt ihnen! - Israel Zangwill, Das große
Geheimnis der Bow Street. Berlin 1985 (zuerst 1891)
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