Reiter, waghalsiger   Als er sich umwandte, bemerkte er ein schwaches, trübes und verschleiertes Licht am westlichen Himmel. Er wußte auf der Stelle, was dieses an den Himmel gehängte Zeichen war: der junge Mond! Der Flußnebel und die noch tückischeren Dünste, die über Queen's Sedgemoor trieben, verdüsterten dieses Himmelskörperfragment so, daß er nicht zu einem leuchtenden Objekt hochstarren konnte. Er stand jetzt beinahe genau östlich von Whitelake Cottage, so daß dieser trübweiße Klecks in der Düsternis direkt über der Wohnung seiner Liebsten hing. Seinen aufgeregten Gefühlen schien jenes geisterhafte Objekt viel mehr als eine Naturerscheinung zu sein. Gierig griff er mit der einen Hand ein Büschel Wcidcnschößlinge, die aus dem Kopf eines alten gestutzten Baumes wuchsen, dessen Wurzeln in der feuchten Erde unter seinen Füßen waren; und sich vorbeugend, hob er seinen Stock jubelnd in die Luft. Die dunkle Erde unter ihm erschien ihm wie ein riesiges Pferd mit wilder Mahne, auf dessen breitern Rücken er durch das All getragen wurde! Ein durchdringender, moschusartiger Geruch stieg von dort auf, wo seine schweren Stiefel gegen jenes große Pflanzenwesen drückten. Dieser Geruch konnte nur von Jungpflanzen der Gemeinen Wasscrminze kommen, die hier wachsen mußten; aber ihr aromatischer Wohlgcruch fügte seiner Verzauberung noch ein weiteres Element hinzu.

Über Land und Meer glitt von jenem Bruchstück weißer Rätselhaftigkeit her eine feine, sanft gekräuselte und ihm verbündete Strömung wohliger Aufgestörtheit in Sam Dekkers Seele. Wo John Crow feinsinnig und logisch über die mystische Bedeutung dieses zarten Gefäßes für »furiose Phantasien« gesprochen hätte, überließ sich Sam einfach dessen handgreiflicher Macht. Er wurde eine Welle im Kanal von Bristol, ein Adlerfarnwedel in den Quantocks, ein Kristall in einem Mendip-Felsen, ein schwarzgestreifter Barsch im Brue unter der Pomparlés-Brücke. Sam und jener alte, krumme Weidenkopf, an dessen jugendlichen Schößlingen er sich mit blinder Inständigkeit festhielt, gaben sich gemeinsam so vollständig der Macht dieses verdüsterten Mondes hin, daß ein gleichgeartcter Erregungsfluß das Fleisch des Mannes durchfuhr und durch die Pflanzenfasern des Baumes zuckte. Ja! Sam fühlte sich wie ein waghalsiger Reiter, der noch etwas steif und unsicher in seinem neuen Freiheitsgefühl war, aber auf dem dunklen Pferderücken und hinter der flatternden Mähne der sich drehenden Erde saß, von der er in wildem Ritt durch die Feuchtnebel zum Ziel seiner Begierde getragen wurde. Er wußte wenig darüber, welche übermenschlichen Naturforscher ihn da beobachteten, an seinen derzeitigen Possen genauso interessiert (und nicht weniger wohlwollend) wie er es selbst so oft über dem Aquarium im Museum seines Vaters gewesen war. Dieser formlose weiße Klecks, der immer noch sein Versinken hinter den schilfigen Horizont im Sedgemoor-Dunst hinauszögerte, war für jene Beobachter wie die Kerze, die Sam manches Mal über einen seiner geschuppten Lieblinge gehalten hatte! In einem so aufregenden und so von Bewußtheiten wimmelnden Universum strebten und verlangten der Mann und die gebeugte Kopfweide nach diesem Nebelbild im Westen. Kalt waren jene weichen Zweige in seinen geschlossenen Fingern. Kalt war der Atem des Flußes an seinem Mund. Wild und doch schwach klangen an seine Ohren die gurgelnden Seufzer des Wassers, wie es sich in der Düsternis um verborgene Wurzeln und um die hohlen Stengel des Schilfs vom Vorjahr kräuselte.- (cowp)

Reiter Wagehals

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