eisevorbereitung  Prag, am 20. September 1913 Sehr geehrtes Fräulein! Für den leicht möglichen Fall, daß Sie sich meiner auch im geringsten nicht mehr erinnern könnten, stelle ich mich noch einmal vor:

Ich heiße Franz Kafka und bin der Mensch, der Sie zum erstenmal am Abend beim Herrn Direktor Brod in Prag begrüßte. Ihnen dann über den Tisch hin Photographien von einer Thaliareise, eine nach der andern, reichte und der schließlich in dieser Hand, mit der er jetzt die Tasten schlägt, ihre Hand hielt, mit der Sie das Versprechen bekräftigten, im nächsten Jahr eine Palästinareise mit ihm machen zu wollen.

Wenn Sie nun diese Reise noch immer machen wollen - Sie sagten damals, Sie wären nicht wankelmüthig und ich bemerkte auch an Ihnen nichts dergleichen -, dann wird es nicht nur gut, sondern unbedingt notwendig sein, daß wir schon von jetzt ab über diese Reise uns zu verständigen suchen. Denn wir werden unsere gar für eine Palästinareise viel zu kleine Urlaubszeit bis auf den Grund ausnützen müssen und das werden wir nur können, wenn wir uns so gut als möglich vorbereitet haben und über alle Vorbereitungen einig sind.

Eines muß ich nur eingestehen, so schlecht es an sich klingt und so schlecht es überdies zum Vorigen paßt: Ich bin ein unpünktlicher Briefschreiber. Ja es wäre noch ärger, als es ist, wenn ich nicht die Schreibmaschine hätte; denn wenn auch einmal meine Launen zu einem Brief nicht hinreichen sollten, so sind schließlich die Fingerspitzen zum Schreiben immer noch da. Zum Lohn dafür erwarte ich aber auch niemals, daß Briefe pünklich kommen; selbst wenn ich einen Brief mit täglich neuer Spannung erwarte, bin ich niemals enttäuscht, wenn er nicht kommt und kommt er schließlich, erschrecke ich gern. Ich merke beim neuen Einlegen des Papiers, daß ich mich vielleicht viel schwieriger gemacht habe, als ich bin. Es würde mir ganz recht geschehn, wenn ich diesen Fehler gemacht haben sollte, denn warum schreibe ich auch diesen Brief nach der sechsten Bürostunde und auf einer Schreibmaschine, an die ich nicht sehr gewöhnt  bin. Aber trotzdem, trotzdem - es ist der einzige Nachteil des Schreibmaschinenschreibens, daß man sich so verläuft - wenn es auch dagegen Bedenken geben sollte, praktische Bedenken meine ich, mich auf eine Reise als Reisebegleiter, -führer, -Ballast, -Tyrann, und was sich noch aus mir entwickeln könnte, mitzunehmen, gegen mich als Korrespondenten - und darauf käme es ja vorläufig nur an - dürfte nichts Entscheidendes von vornherein einzuwenden sein und Sie könnten es wohl mit mir versuchen.
Ihr herzlich ergebener Dr. Franz Kafka - Franz Kafka an Felice Bauer

Reisevorbereitung (2) Frau Hinkel nahm den Korb, worauf Gallina saß, auf ihren Kopf.  In diesem Korbe hatte sie ein paar Hemden, etwas Flachs-, Hanf--und andere Sämereien, Nadel, Zwirn und Fingerhut und ein Wachsstümpfchen, ein Gebetbuch und einige schöne neue Lieder, gedruckt in diesem Jahr, und den Gräflich Hennegauschen Stammbaum und ihren Taufschein und Copulationsschein und so weiter Schein bewahrt.  Dann ergriff sie ihren Rocken und sprach: "ich bin fertig."  Gockel schlüpfte mit den Armen in die Tragriemen seiner Erbhühnertrage und trug sie wie eine gothische Kirche auf dem Rücken, oben drauf saß Alektryo, neben dran war sein Grafenschwert befestigt, und im Innern befanden sich sein Stammbaum, Grafenbrief, Taufschein, Ehekontrakt, ein Buch von Geheimnissen der Hahnen und Hühner und auch ein altes Geschlechts-Register, nach welchem Alektryo vom Hahn des Hiob und Gallina vom Hahn Petri abstammen sollte; es war aber theils sehr unleserlich mit Hühnerpfoten geschrieben, theils hatten es die Mäuse so durchstudiert, daß viele Löcher darin waren.  Solche große Raritäten waren in der Hühnertrage.  Gockel nahm nun seine Raugräfliche Standarte, die zugleich ein Hühnersteg war, als Stab in die Hand und sagte: "wohlan ich bin fertig."  Gackeleia hatte das Erbhühnernest auf dem Kopf, und weil sie auf alle Weise noch sonst etwas tragen wollte, steckte sie der Vater in einen Korb, wie man sie über die jungen Hühnchen stellt, und befestigte ihr denselben über die Schultern mit Bändern, so daß sie wie in einem lustigen Reifrock mitspazierte.  In der einen Hand hielt sie ihr ABC-Buch, worauf ein Hahn abgebildet war, und in der andern einen Eierweck von gestern, man nennt sie dort Bubenschenkel.  Das Kind war sehr lustig, und schrie.  "Kikeriki, ich bin schon lang fertig."  - Clemens Brentano, Gockel, Hinkel und Gackeleia

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