Regierungsfähigkeit  Der Elefant wollte lange seine Meinung nicht sagen, da aber vom Löwen an bis zum Esel hinunter alles in ihn drang, sagte er: »Wenn ich regieren müßte, so würde ich glauben, in allewege nur insoweit gut zu regieren, als ich verhüten könnte, daß von allem dem, was ihr in diesem Falle tun würdet, gar nichts geschähe.

Ich würde also trachten, daß König Löwe gar nicht tun dürfte, was ihn gelüstete.

Ich würde dem Ratsherrn Esel bedeuten, die Eseleien seiner Schuljahre für sich selbst zu behalten und sie gar nicht zu Normalformen der allgemeinen Bildung des Viehreichs zu machen.

Ich würde dem Gemeinmann Schwein sagen, daß Menschen und Vieh nicht allein von Eicheln leben und daß die Pfützenordnung, die ihm so lieb sei, und seine wilden Borsten eigentlich nicht schlechter mache, als sie schon seien, den meisten andern Tieren ihr Fell verderben würde.

Dem Allerweltsknecht Hunde würde ich erklären, daß er kurzum nicht mehr Hund sein oder nicht regieren müsse.

Dem Innungsmeister Stier würde ich sagen, daß bei einem Gemeinmehr, bei welchem ein Stier präsidiere, der Stier selber auf seinem Präsidentenstuhl von den Füchsen unter dem Thron einem Metzger verkauft werden könnte.

Dem Geheimrat Fuchs würde ich seine Höhle unter dem Thron mit einer Glastüre beleuchten und ihm alle Schleichwege hinter den Ratsbänken verrammeln.

Dem infamen Affen würde ich das Viehmäßige, beides, seiner Freiheits- und seiner Regierungsgelüste mit der Knute auf seinem Hintern austreiben.

Die satanische Schlange würde ich fangen und würgen, wo ich sie fände.

Der geweiheten Einfalt des Rehbocks würde ich die Schädel aller wilden Tiere an seine Hörner aufhängen, damit er sich anatomisch und physiognomisch überzeugen lerne, wie groß die Torheit sei, Menschenwahrheit und Menschenrecht in Löwenschädel, in Stierenköpfe, in Hundsbäuche und in Schlangenhäute hineinpredigen zu wollen.«

Der ganze Tierkreis schnitt lange Gesichter, aber er schwieg. Nur der Löwe antwortete: »Ich weiß es schon lange, daß du den Adel aller Bluttiere verachtest und dich allein den schwachen, aber hinterlistigen Feinden unsers Geschlechts, den Menschen, gleich glaubst.«

Der Elefant versetzte: »Von mir sagte ich nichts, aber was ich über euch urteilte, das ist Wahrheit. Ihr seid alle an Hirn und Herz nicht so beschaffen, daß es gut gehen könnte, wenn ihr regieren würdet, den Fall ausgenommen, wenn ihr mit Gewalt gehindert würdet, nach eu-rem Herzen und nach eurem Kopfe zu regieren.«

»Aber das würden wir in keinem Falle leiden», schrie jetzt der ganze Tierkreis, und der Elefant antwortete: »Ebenso schreien auch unter den Menschen alle die, so euch gleichen, wenn Recht und Gesetze sie hindern wollen, gewalttätig, hinterlistig, niederträchtig, dumm, herzlos und affensüchtig, das heißt also zu regieren, wie ihr es allenfalls auch könntet, wie ich es aber in keinem Fall möchte.«

Ein Mensch, der diese Elefantenäußerung hörte, sagte zu ihm: »Ich wünschte zu wissen, wie du dein Urteil über die Regierungsunfähigkeit der Tiere gegen sie einzeln begründen könntest.« Der Elefant erwiderte: »Beim Löwen sind, außer seinem in Blutsachen allen Verstand tötenden Rachengefühle noch seine allgemeine Verachtung der Tiere, sein stolzer Anspruch an ungestörte Ruhe und seine, den Mord wie ein Nichts vollbringende Organisation ein ewiges Hindernis der Teilnahme, ohne die keine Regierungsfähigkeit stattfindet.

Daß auch die Esel gerne regieren möchten, ist sehr natürlich, indem ihnen kein anderes Mittel übrigbleibt, sich einem elenden Leben zu entziehen, als dieses einzige. Aber ewig lebt unter einem abgeriebenen Fell die Beruhigung nicht, ohne die ebenfalls keine wahre Regierungsfähigkeit statthat.

Auch der Stier wird am Pfluge zu müde, als daß er sich zu einer ruhigen, von Selbstsucht freien Gemeinnützigkeit emporheben könnte. Der Hund ist zum Knechte geboren. Lecken und Bellen in einem Munde gehört ewig an die Kette.

Der Fuchs vereinigt, neben der Mordlust des Löwen, die ängstliche Besorgnis, selbst gefressen oder zu Tod geprügelt zu werden. Hieraus entspringt eine Gemütsstimmung, die die Teilnahme und die Zuverlässigkeit zugleich ausschließt.

Die Schlange ist nichts anderes als ein Fuchs ohne Beine mit noch tausendmal stillerer Mordkraft.

Der Rehbock kömmt durch die Eitelkeit, die neben seiner Gutmütigkeit, unter seinem Horn und hinter seiner Nase sitzt, alle Augenblicke in Gefahr, in seinem Einfluß auf die friedlichen Tiere ein Spiel der Fleischfressenden zu werden.«   - Johann Heinrich Pestalozzi, Fabeln. München 1993 (zuerst 1797)

 

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