edner    Gewiß waren auch Kimon, Ephialtes und der Staatsmann Thukydides tüchtige Männer; als aber einst der Spartanerkönig Archidamos den Thukydides fragte, ob er oder Perikles der bessere Ringer sei, bekam er die Antwort: »Das wüßte niemand zu sagen. Denn wenn ich ihn niedergerungen habe, bestreitet er doch, gefallen zu sein, behält Recht und überredet selbst die Zuschauer.«   - (plu)

Redner (2)   Ich hielt Reden, nicht aus irgendeiner Überzeugung, sondern weil überall zu jeder Tageszeit Streitende herumstanden und ich aus meinen bisherigen Erfahrungen noch nichts gelernt hatte. Meine Reden waren ein dummes, nachgeplappertes Aufklärungsgeschwätz, aber wenn es einem wie Honigseim vom Maule troff, konnte man so tun, als sei man ergriffen. Und oft ergriff einen der eigene Quatsch ja wirklich, rein durch das Geräusch, das Gezische, Gezwitschere und Gebrülle, das da aus einem herausfuhr! - George Grosz, Ein kleines Ja und ein großes Nein. Sein Leben von ihm selbst erzählt. Reinbek bei Hamburg 1986, zuerst 1955

Redner (3)  Die drei Triumvirn beschlossen Proskriptionen gegen ihre politischen Gegner. Cicero stand ganz oben auf der Todesliste des Antonius.

Am 7. Dezember 43 v. Chr. wurde er auf dessen Geheiß auf der Flucht ermordet. Mit dem Leichnam verfuhr man bestialisch: Er wurde verstümmelt durch die Straßen Roms geschleift, sein Kopf und seine Hände wurden auf den Rostra am Forum Romanum ausgestellt. Fulvia, die nacheinander mit seinen Feinden Clodius und M. Antonius verheiratet war, soll nach Cassius Dio seine Zunge mit ihrer Haarnadel durchbohrt haben. - wikipedia

Redner (4)  Fiévé, der den Unbestechlichen von ganzem Herzen haßt, beschreibt den Eindruck eines Abends bei den Jakobinern folgendermaßen: »Langsam trat er vor. Er war in dieser Zeit fast der einzige, der die Kleidung und Haartracht aus der Zeit vor der Revolution bewahrt hatte, und glich so ziemlich einem Schneider des alten Regimes. Er trug Brillen, sei es nun, daß er sie wirklich brauchte, sei es, daß sie ihm dazu dienten, die Bewegungen seiner Physiognomie, die steif und ohne Würde war, zu verbergen. Sein Vortrag war langsam. Seine Sätze waren so lang, daß man jedesmal, wenn er innehielt, um seine Brille hochzuschieben, annehmen konnte, er habe nichts mehr zu sagen. Aber nachdem er seine Blicke über alle Punkte des Saales hatte wandern lassen, schob er die Brille wieder vor die Augen und fügte den an sich schon langen Perioden noch einige Sätze hinzu . .. Mir dröhnten die Ohren. Das war nicht mehr Beifall wie für den Père Duchesne, sondern Schluchzer der Rührung, Schreie, Erschütterungen, daß der Saal erbebte.«  - Friedrich Sieburg, Robespierre. München 1965 (zuerst 1935)

Redner (5) Die bewohner meines landes sind alle redner. Da gibt es redner, deren wort die blumen duften und die früchte reifen macht. Es gibt redner, deren wort zigarren anzündet; redner, die alkoholisieren und berauschen, die man um einen satz cognac oder einen satz whisky oder einen satz aperitif angeht, und nachdem sie genug gelauscht haben, gehen die zuhörer taumelnd und im zickzack davon; es gibt redner, deren wort flüsse anhält, andere, deren wort mäntel aufknöpft oder schuhe poliert usw. Aber sie alle überragt der elektrische redner, der elektrisiert, elektrifiziert und elektrokutiert. Sein wort entzündet die glühbirnen in den häusern und die bogenlampen auf den strassen und treibt die elektrischen durch die stadt. Er hört niemals auf zu reden. Wenn er solches täte, sässen alle im dunkeln, stünden alle strassenbahnen still; es käme einem generalstreik gleich. Einem sabotageakt. Man umhegt den elektrischen redner mit noch nie dagewesener sorgfalt. Immerzu wird er überprüft, damit er nicht etwa ins stottern gerät und auch nicht den geringsten schaden nimmt. Vier arbeiter, die sich alle drei stunden ablösen, sind beauftragt, seine kinnladen zu ölen. Man ernährt ihn von hinten mit klistieren aus fleischklösschensuppe sowie mit seeigeln und spiegeleiern, marinierten rebhühnern und vielen anderen delikatessen, die sein feinschmeckerischer hintern sich munden lässt.  - Hans Arp, Vicente Huidobro: Der gestiefelte Kater und Sindbad der Seefahrer oder Badsint der Sauführer. Nach (huarp)

Redner (6)   Sapoikin besitzt die seltene Gabe, Hochzeits-, Jubiläums- und Beerdigungsreden aus dem Stegreif zu halten. Und zwar vermag er zu sprechen, wann immer es beliebt: im Schlaf, auf nüchternen Magen, sternhagelvoll, ja sogar im Delirium. Seine Worte strömen glatt und gleichmäßig dahin wie das Wasser aus einer Wasserleitungsröhre und sind genauso reichlich wie dieses; in seinem Wortschatz gibt es mehr klägliche Ausdrücke als Wanzen in einem beliebigen Hotel. Er spricht immer schön und lange, so daß man zuweilen, besonders wenn es sich um Kaufmannshochzeiten handelt, die Hilfe der Polizei anrufen muß, um seinen Wortschwall einzudämmen.   - (tsch)

Redner (7) Ich gerate in eine Versammlung. Der polnische Redner ist ein kräftiger, untersetzter Mann, hat sein buntes Taschentuch aus der Jackettasche heraushängen wie der Hahn seinen Kamm. Seine Brust wölbt er stehend vor, sie resoniert stark. Seinen Kopf biegt er im Sprechen leicht zurück. Er hat die Augen auf, spricht blind über die Tische hin. Die Worte schleudert er mit der Zungenspitze, mit den Muskeln des Kehlkopfs und Rachens von sich aus dem Mund. Sie explodieren. Er kostet ihren Klanggeschmack mit den Lippen, mit den Ohren, während er, sich selbst zuhörend, so dasteht: die Hände auf die Tischplatte gespreizt und gestemmt, den Kopf mit den offenen und nichtssehenden Augen in den Pausen gesenkt, dann wieder stolz nach hinten gerichtet. Was er spricht, sind - sie sagen es mir - die Worte eines vorsichtigen behaglichen Menschen.   - Alfred Döblin, Reise in Polen. München 1987 (zuerst 1925)
 

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