echtsgefühl  Er sei überzeugt, schrieb der Rechtshistoriker Fritz Kern, »daß manch ein für sein Kloster Urkunden komponierendes Mönchlein, von Fälscherheiligen wie Pseudo-Isidor ganz abgesehen, in seinem Maulwurfsbau sich den Himmel verdient hat. War es denn nicht sozusagen aus Vernunft, Rechtsgefühl, leisen oder lauten Überlieferungen usw. klar und einleuchtend, daß jener Acker nicht dem bösen Vogt gehören kann, da er doch so geschnitten ist, daß er zu dem anstoßenden Klostergut ursprünglich gehört haben muß ... Kann nicht schließlich ein älterer, vom Glück begünstigter Fälscher der Gegenpartei durch sein Werk das Recht verdrängt und das Unrecht triumphierend gemacht haben? So hilft man nun der Wahrheit und dem Recht durch eine neue Fälschung zum Sieg. Man korrigiert den Zufall der Rechtsüberlieferung, schafft wahre Rechtsbeständigkeit; indem man die Zeugnisse herstellt, stellt man das Recht selbst wieder her«. - Theo Kölzer, in: Karl Corino (Hg.): Gefälscht! Betrug in Literatur, Kunst, Musik, Wissenschaft und Politik. Frankfurt am Main 1990

Rechtsgefühl (2)   Der Löwe sagte: »Wenn ich mein rechtliches Mahl zu mir genommen habe, so bin ich die edelmütigste Tierheit unter der Sonne. Nur das Wort Schuldigkeit spreche niemand gegen mich aus. Es empört sich etwas hinter meinem Rachen, wenn ich dieses Wort höre.«

Der Stier sagte: »Ich bin nicht so, ich erkenne mich gerne schuldig, wenn ich etwas schuldig bin.«

Der Fuchs sagte: »Allenthalben in der Welt muß Rechnung und Gegenrechnung stattfinden; wenn der Löwe jemand etwas schuldig ist, so sage man es nur mir.«

Der Hund sagte: »Wer vor den Großen wohl kriecht und gegen die Kleinen laut bellt, der kommt gewiß zu seinem Recht.«

Der Affe sagte: »Narren sinds, die an Schuldigkeit glauben. Lange Arme sind ein großes Recht und lange Finger eine große Kommlichkeit.«

Die Schlange sagte: »Ich finde das Recht, dessen ich bedarf, nur durch das Verbergen meines Daseins, durch einen schleichenden Gang und durch Kraftsprünge, die ich, wenn ein Fang mir in der Nähe ist, auch ohne Füße und Klauen dem Fuchs und dem Tiger gleich zu machen imstande bin.«

Der Elefant hörte mit großer Verachtung, was Löwe, Stier, Hund, Affe und Schlange von der Gerechtigkeit sagten. Denn er fühlte sich in seiner hohen Kraft so anspruchslos als gutmütig und meinte, so sehr er sonst auch ein Tier ist und wie die andern gerne gute Sachen frißt, so habe er, weil das, was er fresse, niemand wehe tue und niemand nachteilig sei, alle Eigenschaften, die zur Gerechtigkeit notwendig, die aber allen fleischfressenden Tieren ebenso allgemein mangeln müssen. - Johann Heinrich Pestalozzi, Fabeln. München 1993 (zuerst 1797)

Recht Gefühle, moralische
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