ealitätsgrad   Unsere Sprache besitzt keine Umschreibung, die irgendwie den Grad der Realität dosieren und deren Dichte definieren könnte. Sagen wir es ohne Umschweife: die Fatalität dieses Viertels besteht darin, daß nichts in Tat umgesetzt wird, nichts seinen endgültigen Zustand erreicht, alle angefangenen Bewegungen in der Luft hängenbleiben, alle Gesten sich vorzeitig erschöpfen und einen bestimmten toten Punkt nicht überschreiten können. Wir konnten eine große Üppigkeit und Verschwendung in Absichten, Projekten und Vorwegnahmen bemerken, welche dieses Viertel kennzeichnen. Es ist im ganzen nichts anderes als eine vorzeitig aufgegangene Gärung von Wünschen und daher kraftlos und leer. In einer Atmosphäre übermäßiger Leichtigkeit gedeiht hier jeder auch noch so leise Wunsch, knospt jede vorübergehende Spannung und wächst sich zu einem leeren, aufgeblasenen Gebilde aus, schießt in die graue und leichte Vegetation flaumiger Unkräuter und farbloser, zottiger Mohnblumen aus dem gewichtlosen Gewebe von Luftspiegelungen und Haschisch. Über dem ganzen Viertel schwebt das träge, ausgelassene Fluidum der Sünde, und die Häuser, Läden, Menschen scheinen manchmal ein Zittern auf seinem phantasierenden Körper, eine Gänsehaut auf seinen Fieberträumcn zu sein. Nirgends fühlen wir uns so wie hier von Möglichkeiten bedroht, so erschüttert von der Nähe der Erfüllung, so erblaßt und ohnmächtig durch die wollüstige Starre der Verwirklichung. Doch dabei bleibt es aber auch. - Bruno Schulz, Die Nacht der großen Saison, in (bs)
 
 

Realität

 

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