auschen  »Seid still, man versteht ja sein eigenes Wort nicht mehr!« sagen Lehrer gern, wenn die Privatgespräche der Schüler sie entnerven. In der Nachrichtentechnik hat man mit ähnlichen Problemen zu kämpfen, weil Signale durch Störungen aller Art überlagert werden. Dort hilft allerdings kein Machtwort, um Stille eintreten zu lassen, denn die elektrischen Ströme und elektromagnetischen Schwingungen, die dem Transport der Informationen dienen, werden durch unvorhersehbare physikalische Phänomene gestört - durch thermische Bewegung, Solarstrahlung, kosmische Strahlung und atmosphärische Erscheinungen wie Gewitter. Die Gesamtheit dieser zwar nicht zufälligen, aber doch unkontrollierbaren Störungen fasst man unter der Bezeichnung »Rauschen« zusammen, wenn sie ein an sich deutliches Signal überlagern.

Es ist gar nicht so einfach, den Begriff des Rauschens präzise zu definieren, denn er besitzt zahlreiche qualitative und quantitative Aspekte. In unserem alltäglichen Leben entspricht ihm am ehesten der Begriff des Lärms, der ein Gemisch aus Tönen unterschiedlichster Frequenzen bezeichnet, die in keinem harmonischen Verhältnis zueinander stehen, also keine ganzzahligen Vielfachen derselben Grundfrequenz darstellen. Von den geordneten Tönen (oder gar von der Musik) unterscheidet Lärm sich durch den unregelmäßigen, aperiodischen Charakter der Schwingungen. Er ist gleichsam der gefallene Engel unter den Tönen.

In der Nachrichtentechnik versteht man unter Rauschen die Gesamtheit der unerwünschten Signale, die sich dem erwünschten Signal überlagern. Das erwünschte Signal ist Träger der Information, während das Rauschen den Empfang des Signals und damit das Verständnis der Information beeinträchtigt (aber auch das Rauschen enthält eine Botschaft).  - (thes)

Rauschen (2)  Der Düsseldorfer Peter Kürten, der 1931 hingerichtet wurde, sagte seinem Arzt, Professor Dr. Berg: »Das Blut kann ich hören. Das Blut ist ausschlaggebend in den meisten Fällen. Das bloße Würgen genügt meist nicht, um zum Samenerguss zu kommen.« Kürtens erste Opfer waren Tiere. Er sagte zu Professor Berg darüber: »Sie können sich nicht vorstellen, aber Sie müssen es mal probieren, einer Gans den Kopf abzuschneiden, wenn das Blut so ganz leise rauscht.« - (hoe)

Rauschen (3)  

Audiosignal vom 15. Mai 1912
Störpegel > 8 W Störabstand > 22 db

Lispeln Nuscheln Schwafeln Munkeln
Näseln Flöten Säuseln Mümmeln
Tuscheln Jibbern Girren Keuchen

Stottern Flennen Sabbeln Grunzen
Faseln Schnarren Fisteln Knödeln
Gackern Blöken Johlen Grölen

Klingeln Piepsen Schrillen Quietschen
Knistern Klirren Kratzen Zischen
Jaulen Pfeifen Klappern Knirschen

Rumpeln Krachen Scheppern Röhren
Hämmern Wummern Donnern Dröhnen
Blubbern Glucksen Gurgeln Schwappen

Stammeln Wimmern Ächzen Brüllen
Jammern Zetern Japsen Stöhnen
Schluchzen Kreischen Winseln Röcheln

Rauschen Rauschen Rauschen Rauschen

 - Hans Magnus Enzensberger, Kiosk. Neue Gedichte. Frankfurt am Main 1997 (zuerst 1995)

Rauschen (4)   Die Hände des Fleißigen ruhen. Nichts regt sich, die Luft ist glatt wie ein Spiegel. Möglich, daß woanders gerade ein Verbrechen geschieht, so namenlos, so kraftlos ist alles. ‹Wie heiße ich?› lautet da deine Frage. Und die Antwort ist dieses Summen, dieses Rauschen. Es ist das Gerausche, das von den Haaren der Welt herrührt, die sich in ihrem riesigen Bett auf die andere Seite dreht. - Klaus Hoffer, Bei den Bieresch. Frankfurt am Main 1986 (zuerst 1979/1983)

Rauschen (5)  „Wenn wir es ignorieren, stört es uns. Wenn wir hinhören, finden wir es faszinierend.“ (John Cage) In der Akustik bezeichnet Rauschen einen ständigen, aber nicht periodischen Schwingungsvorgang. Es lässt sich auch als Ergebnis von verschiedenen, übereinander gelagerten Schallwellen verstehen. Tatsächlich hören wir im Rauschen (im Unterschied zum Geräusch) weder klangliche Einzelereignisse noch bestimmte Tonhöhen: Im Gegensatz zum akustischen Signal oder Ton bildet das Rauschen den kontinuierlichen Hinter- oder Untergrund des Gehörten. Bei elektrischer Signalübermittlung wird das Rauschen daher als störendes Element begriffen – vergleichbar dem „Schnee“ beim Fernsehbild.

Einer der ersten, die das Rauschen als einen ebenso existentiellen wie musikalischen Urgrund begriffen, war John Cage. Auf der Suche nach Stille hatte sich Cage 1951 in einen sogenannten schalltoten Raum begeben – um dort aber nicht nichts, sondern vielmehr das Rauschen der eigenen Blutzirkulation und des Nervensystems zu hören. In Musik, schloss Cage, müsse es nun vor allem darum gehen, die Ohren für die Klänge zu öffnen, die uns bereits überall umgeben. Das Rauschen stand dabei exemplarisch für die Absichtslosigkeit des Klingenden („niemand lässt sein Blut absichtlich zirkulieren“). - JetztMusik

Rauschen (6)  In Niefken bei Medzibor hatte Frau Anna Ponwitz mit einer Hexe Streit, und diese drohte ihr, daß sie ihr schon eine Plage oder Peiniger schicken wolle. Zur Frühlingszeit, als sich die Ponwitz einst auf dem Hofe befand, hörte sie ein Rauschen, wendet sich und erblickt einen Zwirbelwind, der aus dem nahen Walde auf sie zukommt, sie zu Boden reißt und so heftig tobt, daß sie glaubl, er reiße das ganze Haus darnieder. Kurze Zeit darauf fing ihre Besessenheit an. - Will-Erich Peuckert, Schlesische Sagen. Jena 1924

Rauschen (7)   Die Blätter an den Bäumen rauschten nicht, die Zikaden zirpten, und das gleichtönige dumpfe Rauschen des Meeres, das von unten heraufscholl, sprach von der Ruhe und dem ewigen Schlaf, der unser aller wartet. Dort unten rauschte es bereits, als es noch kein Jalta gab, kein Oreanda, es rauscht auch heute und wird genauso eintönig und dumpf rauschen, wenn wir schon längst nicht mehr sein werden. In dieser Beständigkeit aber, in dieser völligen Gleichgültigkeit gegen Leben und Tod eines jeden von uns, birgt sich, leicht möglich, das Unterpfand unserer ewigen Rettung, der unablässigen Bewegung des Lebens auf Erden, der unablässigen Vervollkommung. Als Gurow, beruhigt und bezaubert vom Anblick dieser märchenhaften Umgebung, des Meeres, der Berge, der Wolken und des weiten Himmels, nun neben der jungen Frau saß, die in der Morgendämmerung so hübsch aussah, dachte er, daß tatsäclilich, wenn man es sich recht überlegt, alles auf dieser Welt schön ist, alles, außer jenem, was wir selber denken und tun.   - Anton Tschechow, Die Dame mit dem Hündchen, nach (tsch)
 
Geräusch
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