aucher
Tja, meine Herren, heute vormittag habe ich im Wiener Rundfunk gehört, wie Webern
von seinem Schwiegersohn ums Leben gebracht worden ist... Als der Krieg durch
Österreich gegangen und vorbei war und die amerikanischen Truppen durch Linz
zogen, da hat es ein Ausgehverbot gegeben... da hat Anton von Weberns Schwiegersohn,
der nicht mal wußte, wer Webern überhaupt war, ja Webern selber hat nicht mal
gewußt, daß er der berühmte Webern war, da hat also der Schwiegersohn, als der
Webern abends zu Besuch kam, gesagt: Papa, hierhab ich acht Zigaretten für Sie
aufgehoben, Sie sind leidenschaftlicher Raucher, da, nehmen Sie, und der Webern
war zu Tränen gerührt und hat gesagt: Was für ein Glück für mich, daß ich dir
meine Tochter gegeben habe, was hab ich für einen braven Schwiegersohn, und
was für einen braven Mann hat meine Tochter, gleich, werde ich mir eine anbrennen.
Ich kann's nicht mehr erwarten, doch die Tochter und der Schwiegersohn sagten:
Papa, gehen Sie lieber auf den Flur, hier sind die Kinder, also ging Webern
auf den Flur, doch dann dachte er sich, der Rauch zieht womöglich ins Zimmer,
wo meine Enkel schlafen, und weil ich einen so braven Schwiegersohn habe, werde
ich auf dem Balkon rauchen, draußen. Dann ging er hinaus in die Dunkelheit und
steckte sich gierig eine Zigarette zwischen die Lippen, riß mit bebender Hand
ein Streichholz an, und als er den ersten Zug nahm von dem Nikotin und dem köstlichen
Rauch, den er so lange entbehrt hatte, krachte ein Schuß, und Webern brach zusammen,
und als sie herbeikamen, war Webern tot, sein erster Zug war auch sein letzter
gewesen, der letzte, und der kam ihn so teuer zu stehen, ein Posten hatte geschossen,
weil es verboten war, Feuer und Licht zu machen, und er hatte Webern getötet...
doch aufgepaßt, meine Herren, die mystische Verquickung der Geschehnisse ist
noch nicht zu Ende! Der Soldat ist sehr unglücklich gewesen, weil er ja irrtümlich
Webern erschossen hatte, und als er nach Amerika zurückgekommen ist, hat er
sich ärztlich behandeln lassen, dieser Webern war ihm so nahegegangen, daß er
drei Jahre lang in der Psychiatrie saß, und im fünften Jahr, nachdem er Webern
erschossen hatte, hat er sich dann selber erschossen.
-
Bohumil Hrabal, Eine Wirtshausgeschichte. In: B. H., Leben ohne
Smoking. Frankfurt am Main 1993
Raucher (2)
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