Rad, Großes    Er zog unter dem Tisch hervor ein Blatt sonderbar riechendes, gelbes chinesisches Papier, Pinsel und ein Täfelchen indischer Tusche. In reinstem, schärfstem Umriß hatte er das Große Rad mit seinen sechs Speichen darauf gezeichnet, dessen Nabe die in einer Gestalt vereinten Tiere: Schwein, Schlange und Taube bilden - Unwissenheit, Zorn und Wollust -, und dessen einzelne Felder alle Himmel und Höllen und alle Wechselfälle menschlichen Lebens bedeuten. Es wird erzählt, daß der Bodhisat selbst es zuerst mit Reiskörnern in Staub zeichnete, um seinen Schülern den Zusammenhang der Dinge zu erklären. Viele Generationen haben es weitergebildet zu einer höchst wunderbaren, traditionellen Figur, voll von Hunderten kleiner Zeichen, deren jegliche Linie eine besondere Bedeutung hat. Wenige können diese Bildparabel deuten, und es gibt nicht zwanzig Menschen auf der ganzen Welt, die sie ohne Vorlage genau wiederzugeben vermöchten: und derer, die sie sowohl zeichnen als auch auslegen können, sind nur drei.     - Rudyard Kipling, Kim. Nach (ki)

Rad, Großes (2)

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Rad, Großes (3)

Rad, Großes (4)  Wenn die Schatten kürzer wurden und der Lama sich schwerer auf Kim stützte, wurde das Rad des Lebens hervorgeholt, unter reinlich abgewischten Steinen glatt gelegt und Kreis auf Kreis mit einem langen Strohhalm erklärt. Hier saßen die Götter in der Höhe - und sie waren Träume von Träumen. Hier war unser Himmel und die Welt der Halbgötter - Reiter, die zwischen den Bergen kämpften. Hier waren die Qualen, den Tieren zugefügt - Seelen, die die Leiter empor- und niedersteigen und deren Wege man darum nicht durchkreuzen soll. Hier waren die Höllen, heiß oder kalt, der Aufenthalt gefolterter Geister. Möge der Chela studieren die Leiden,  die aus Unmäßigkeit entstehen - geschwollener Magen und brennende Eingeweide! Und gehorsam, mit gesenktem Kopf und flinkem, braunem Finger dem Erklärer folgend, studierte der Chela; wenn sie aber an die Menschenwelt kamen, die, fruchtlos betriebsam, just über den Höllen liegt, folgte er nur noch zerstreut: denn draußen am Wege drehte sich das Rad selbst, essend, trinkend, feilschend, liebend, zankend - warmen Lebens voll. Oft nahm der Lama die lebendigen Bilder zum Gegenstand seines Textes und forderte Kim — zu früh! - auf, zu beachten, wie das Fleisch tausend und tausend Gestalten annimmt, begehrenswerte und verabscheuungswerte, nach Menschenbegriffen, aber in Wahrheit nichtig, so oder so; und wie der dumme Geist, sklavisch gebunden an Eber, Taube und Schlange - lüstern nach Betelnuß, nach einem neuen Joch Ochsen,  nach Weibern oder Königsgunst - verurteilt ist, dem Körper zu folgen durch alle die Himmel und alle die Höllen und den Weg immer wieder von neuem zu machen. Zuweilen schaute ein Mann oder eine Frau dem Ritual - denn das war es für sie - zu, wenn die große, gelbe Karte entfaltet wurde, und warf eine Blume oder eine Handvoll Kaurimuscheln auf den Rand. Es genügte diesen Demütigen, einem Heiligen begegnet zu sein, der vielleicht geneigt sein würde, sie in sein Gebet einzuschließen.      - Rudyard Kipling, Kim. Nach (ki)
 

Buddhismus Rad Hindu

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