uppenmord   Peter winkte ab: »Mit dieser Puppe kann man nicht Beerdigung spielen.«

»Wieso nicht?« Yolanda sah fragend auf ihre Puppe.

»Man darf niemanden lebendig begraben«, sagte Peter, »aber Yolanda, die würde das machen.«

»Sicher nicht«, antwortete Yolanda, »das weiß ich auch, obwohl ich kleiner bin, daß das verboten ist.«

»Also muß die Puppe sterben, bevor wir sie begraben können.«

Yolanda wiegte die Puppe im Arm: »Du mußt jetzt deine Augen zumachen.«

»Sie muß richtig tot sein. Und nicht nachher die Augen aufmachen. Willst du, daß deine Puppe im Sarg plötzlich wieder erwacht?«

Als Peter nach dem Messer griff, schrie Yolanda auf: »Nein. Weißt du, wie das wehtut?«

»Wir geben ihr vorher ein Schlafmittel.« Heidi schüttete vom Waschpulver in den Yoghurtbecher und gab etwas Wasser dazu, dann goß sie die Flüssigkeit der Puppe über den Mund, es lief auf beiden Seiten herunter.

»Langsamer, sonst verschluckt sie sich.« Peter hielt der Puppe den Kopf.

»Siehst du, Yolanda, wie sie immer noch die Augen aufmacht?« Er streckte den Mittel- und Zeigefinger seiner Rechten aus und legte sie auf die Augen. »Achtung.« Er drückte. »Die ist stark.« Alle drei waren einen Moment lang still. Peter stieß erneut zu. Ein Knacken. Yolanda seufzte. Etwas brach ab und schlug dumpf auf. »Der Kopf ist nicht leer.« Peter schüttelte die Puppe, und in ihrem Kopf kollerte es. »Das tönt nach Metall. Was da wohl drin ist?« Peter versuchte einen Finger durch eine Augenhöhle zu stecken. »Au.« Er zog den Finger zurück. »Diese blöde Puppe. Ich habe mich geschnitten.«

»Da.« Heidi zeigte auf die Wange der Puppe. »Es hat richtiges Blut drauf.«

Peter leckte den Finger: »Jetzt können wir sie beerdigen.«  - Hugo Loetscher, Die Papiere des Immunen. Zürich 1986

Puppenmord (2)   Nicht nur, dass das Zimmer schwankte, dass er eine Beule am Hinterkopf hatte oder dass er nackt war. Es war eher das Gefühl, dass irgendet-was mit all den weniger reizenden Eigenschaften einer Mausefalle oder eines Schraubstocks oder einer ausgehungerten Auster sich erbarmungslos an das geklammert hatte, was er bisher immer für seinen allerintimsten Körperteil gehalten hatte. Wilt öffnete die Augen und starrte in ein lächelndes, wenn auch leicht verschwollenes Gesicht, Er machte die Augen wieder zu, hoffte wider alle Hoffnung, machte sie wieder auf, sah das Gesicht immer noch an derselben Stelle und versuchte mühsam, sich aufzusetzen.

Das war eine unkluge Bewegung. Judy, die Plastikpuppe, die viel härter als normal aufgepumpt war, widersetzte sich. Mit einem Aufschrei sank Wilt wieder zu Boden. Judy folgte. Ihre Nase knallte auf sein Gesicht und ihr Busen auf seine Brust. Fluchend rollte Wilt sich auf die Seite und dachte über das Problem nach. Aufsetzen kam nicht in Frage. Das führte zur Kastration. Er musste etwas anderes versuchen. Er rollte die Puppe weiter und kletterte auf sie, musste aber einsehen, dass sein Gewicht auf ihr den Druck auf das verstärkte, was von seinem Penis noch übrig war, und falls er ihn sich abquetschen wollte, war das genau der richtige Weg dahin. Wilt rollte schleunigst wieder herunter und tastete nach dem Ventil. Irgendwo musste ja eines sein, wenn er es doch bloß finden konnte. Aber wenn es eins gab, dann war es gut versteckt, und sein Gefühl sagte ihm, er dürfe keine Zeit damit verplempern, es zu suchen. Er fingerte auf dem Fußboden nach etwas herum, was er als Dolch benutzen könnte, nach irgendwas Scharfem, riss schließlich ein Stück von den Eisenbahnschienen ab und stieß es seiner Widersacherin in den Rücken. Der Kunststoff gab ein Quietschen von sich, aber Judys verschwollenes Lächeln blieb dasselbe, und ihre unerwünschten Liebesbezeigungen waren genauso unbarmherzig wie zuvor. Immer wieder stach er nach ihr, aber ohne Erfolg. Wilt ließ seinen behelfsmäßigen Dolch fallen und sann über andere Möglichkeiten nach. Langsam drehte er durch, und da wurde er sich einer neuen Gefahr bewusst. Er war nicht mehr nur das Opfer von Judys Hochdruck, sein eigener innerer Druck stieg gleichfalls an. Die Phngsheim-Bow-le und der Wodka machten sich bemerkbar. Mit dem verzweifelten Gedanken, er würde platzen, wenn er sich nicht bald aus der Puppe befreite, packte Wilt Judys Kopf, bog ihn zur Seite und bohrte seine Zähne in ihren Nacken. Oder besser, hätte gebohrt, wenn ihre Atüs das zugelassen hätten. So aber prallte er ab und verbrachte die nächsten zwei Minuten damit, seinen Stiftzahn wiederzufinden, der bei dem Handel das Weite gesucht hatte.  - Tom Sharpe, Puppenmord. München 2004 (Süddeutsche Zeitung Kriminalbibliothek 26)

 

Puppe Mord

 

  Oberbegriffe
zurück 

.. im Thesaurus ...

weiter im Text 
Unterbegriffe

 

Verwandte Begriffe
Synonyme