uppe  »Fangen wir an. Doc, du und O'Malley tragt die Leiche hinüber zur Mauer.«

Williams sagte: »Wenn du dir einbildest, daß ich die Leiche anfasse...«

»Sie wird dich nicht beißen«, sagte Crane.

Courtland sagte: »Ich helfe mit.« Er ging voraus in die Gruft. Während Crane den Boden beleuchtete, hoben O'Malley und Courtland die Leiche hoch. »Steif wie 'ne Statue!« schrie Williams auf.

Crane gab Williams die Taschenlampe. »Geh voraus, Doc. Champ und ich bilden die Nachhut.«

Langsam, vorsichtig, gingen sie über den Friedhof. Courtland hatte die Füße der Leiche, einen in jeder Hand, wie eine Schubkarre, und O'Malley hatte seine Hände unter den Armen eingehakt, die über ihrer Brust gefaltet waren. Im grellen Licht der Blitze hatte das Gesicht der Frau das halbmenschliche, halbkünstliche, im ganzen genommen schauerliche Aussehen einer Figur in einem Wachsfigurenkabinett. Champion, die Bulldogge,  hielt sich dicht an Cranes Fersen.

In einem Augenblick der Stille zwischen Donnerkrachen rief Williams nach hinten: »Wie kriegen wir sie über die Mauer?«

»Zwei von euch werden hinaufsteigen müssen«, sagte Crane. »Wir werden sie euch hochreichen, und dann kann einer sie halten, während der andere auf der anderen Seite hinunterspringt.«

Sie blieben am Fuß der Mauer stehen.

»Ich wette, ich könnte sie hinüberwerfen«, sagte O'Malley.

Donner hämmerte auf ihre Trommelfelle.

Crane und Williams halfen O'Malley auf die Mauer, während Courtland die Leiche hielt. Als Courtland an der Reihe War, sagte Crane: »Lehnen Sie sie aufrecht gegen die Wand.« Sobald die beiden oben waren, hatten Crane und Williams keine Mühe, den Leichnam zu ihnen hochzuheben. »So«, sagte Crane, »jetzt springt einer von euch runter.«

 Courtland sprang hinunter, und O'Malley stand da und hielt die Leiche um die Taille. »Darf ich Sie um den nächsten Walzer bitten, Madam?« fragte er.

»Um Gottes willen!« sagte Williams.

Auf Crane wirkte die Szene wie einer jener Horrorfilme, in denen verrückte Wissenschaftler Monster wieder zum Leben erwecken. Im flackernden blauweißen Licht war O'Malleys Gesicht weiß wie der Bauch eines Fisches; das des Mädchens ruhig, friedlich, schrecklich. O'Malley hielt es von der Mauer weg, ließ es fallen. »Gut gefangen«, sagte er, und an Crane und Williams gewandt, die mit Stielaugen zusahen, fügte er hinzu: »Kommt schon, ihr Schnüffler.«

Innerhalb der nächsten zwölf stärkeren Donnerschläge waren sie neben ihrem Mietwagen. »Wie kriegen wir sie rein?« wollte Williams wissen. »Sie läßt sich nicht biegen.«

Sie bugsierten sie schließlich durch die Hintertür und stützten sie in einer Ecke ab. Crane stieg neben ihr ein, fragte unsicher; »Ob sie wohl als Blitzableiter funktioniert?«

Auf dem Weg zur Siebenundvierzigsten Straße machten sie an einem Drugstore, der die ganze Nacht geöffnet war, halt, während Williams mit dem Leichenbestatter Gruft telefonierte und dessen zögernde Erlaubnis einholte, die Leiche zu ihm zu bringen. Sie alle befiel ein Gefühl der Erleichterung, als Williams wieder auf den Fahrersitz kletterte, den Gang einlegte und ruckartig anfuhr.

Crane tätschelte die Schulter der Toten. »Noch nie im Leben war ich so froh, eine Puppe zu fassen zu kriegen«, sagte er.

O'Malley musterte kritisch Miss Castles Gesicht. Er sagte:

»Sie scheint nicht so unwahrscheinlich froh zu sein, dich zu sehen.«

»Aber du bist doch froh, mich zu sehen, nicht wahr, Puppe?« fragte Crane. Er bewegte den oberen Teil der Leiche mit der flachen Hand, erweckte den Anschein, als würde Miss Castle zustimmend nicken.

Williams, der mit Glubschaugen im Spiegel zusah, sagte:

»Oh, mein Gott, tu das nicht.« Er trat ruckartig aufs Gaspedal.

Sie schleuderten um eine Ecke, und es begann. Tropfen wie Vierteldollarmünzen zu regnen, die mit nassem Klatschen auf die Windschutzscheibe trafen. Der Donner kam jetzt unmittelbar nach jedem Blitzstrahl. Straßenlampen machten dottergelbe Flecken auf das glänzende Pflaster.

O'Malley sagte: »Ich hab's gern, wenn eine Puppe ihren Teil zur Unterhaltung beiträgt.« - Jonathan Latimer, Leiche auf Abwegen. Zürich 1988 (detebe 21592, zuerst 1936)

Puppe (2) »Sie verkaufen hier doch Sachen, nicht? Ist die Schaufensterpuppe zu verkaufen?«

»Kleinen Augenblick, Sir.«

Das Girl ging in den hinteren Teil des Ladens. Ein Vorhang teilte sich und ein alter Jude trat heraus. An seinem Hemd fehlten die beiden unteren Knöpfe, man konnte seinen haarigen Bauch sehen. Er schien ein ganz netter Mensch zu sein.

»Sie möchten die Schaufensterpuppe, Sir?«

»Ja. Ist sie zu verkaufen?«

»Nun ja, eigentlich nicht. Sehen Sie, es ist sozusagen ein Dekorationsstück, ein Scherz.«

»Ich mochte sie kaufen.«

»Tja, lassen Sie mich mal sehen...« Der alte Jude ging hinüber und begann die Puppe zu betasten, das Kleid, die Arme. »Lassen Sie mich mal sehen ... ich denke, für $ 17.50 kann ich ihnen dieses ... Stück ... überlassen.«

»Ich nehme sie.« Robert zückte einen Zwanziger. Der Ladeninhaber zählte ihm das Wechselgeld hin.

»Sie wird mir fehlen«, sagte er. »Manchmal könnte man fast meinen, sie sei lebendig. Soll ich sie Ihnen einpacken?«

»Nein danke, ich nehme sie so wie sie ist.«

Robert nahm die Puppe und trug sie hinaus zu seinem Wagen. Er legte sie auf den Rücksitz. Dann stieg er ein und fuhr zu seiner Wohnung. Als er ankam, schien glücklicherweise niemand in der Nähe zu sein, und er kam ungesehen mit ihr durch die Tür. Er stellte sie mitten ins Zimmer und sah sie an.

»Stella«, sagte er, »Stella, du Flittchen!«

Er ging hin und schlug sie ins Gesicht. Dann packte er ihren Kopf und küßte sie. Sie ließ sich gut küssen. Sein Penis begann gerade hart zu werden, als das Telefon klingelte. »Hallo«, meldete er sich.

»Robert?«

»Yeah. Klar.«

»Hier is Harry.«

»Wie gehts, Harry?«

»Gut, und was machst du?«

»Nichts.«

»Ich hab mir gedacht, ich komm mal vorbei und bring ein paar Dosen Bier mit.«

»Okay.«

Robert legte auf, nahm die Schaufensterpuppe und verwahrte sie im Schrank. Er steckte sie ganz hinten rein und schloß die Schranktür ab.

Harry wußte nicht viel zu sagen. Er saß nur da mit seiner Dose Bier. »Wie gehts Laura«, fragte er.

»Oh«, sagte Robert, »zwischen Laura und mir ist es aus.«

»Was war denn?«

»Hat mir zuviel den Vamp rausgekehrt. Immer auf der Bühne. Sie konnte nicht genug kriegen. Überall hat sie sich an Kerle rangeschmissen - beim Kaufmann, auf der Straße, im Café, überall. Jeder war ihr recht. Egal wer er war, Hauptsache es war ein Mann. Sie flog sogar auf einen Typ, der bloß die falsche Nummer gewählt hatte. Ich konnte es nicht mehr ausstehen.«

»Bist du jetzt solo?«

»Nee, ich hab ne andere.«  - Charles Bukowski, Die Stripperinnen vom Burbank & 16 andere Stories. Frankfurt am Main 1980 (zuerst 1975)

Puppe (3)  Während Gackeleia   in schweren Puppensorgen auf ihrer Rasenbank saß, hörte sie auf einmal eine angenehme summende, aber sehr leise Musik ganz nahe hinter ihr vor dem Garten, der an einem Feldweg lag.  Da guckte sie durch die Blätter und sah etwas Seltsames.  Dicht vor dem Gitter saß ein Mann in einem schwarzen Mantel ohne Kopf an der Erde zusammengehuckt, und unter dem Mantel hervor schnurrte die Musik.

Gackeleia beugte sich zur Erde, um zu sehen, wo nur in aller Welt die feine Musik herkomme; wie war sie erstaunt, als sie da unten ein paar allerliebste Puppenbeinchen in himmelblauen, mit Silber gestickten Schnürstiefelchen ganz im Takte der Musik herumschnurren sah, sie wußte gar nicht, was sie vor Neugier, die Puppe ganz zu sehen, anfangen sollte.  Oft war sie im Begriffe, die Hand durchs Gitter zu stecken und den schwarzen Mantel ein wenig aufzuheben, aber die Furcht, weil sie an dieser Gestalt keinen Kopf sah, hielt sie immer wieder zurück.  Endlich brach sie sich eine lange Weidenruthe ab, steckte sie durch das Gitter und lüftete den Mantel ein wenig, da schnurrte eine wunderschöne Puppe in den artigsten Kleidern, wie eine Reisende geputzt, unter dem Mantel hervor, und rannte gerade auf das Gitter des Gartens zu, stieß einigemale an die goldenen Gitterstäbe und würde gewiß zu ihr hineingekommen seyn, wenn sich nicht eine hagere Hand aus dem Mantel nach ihr hingestreckt und sie wieder in die Verborgenheit zurückgezogen hätte, wo die kleine Puppe von einer rauhen Stimme sehr ausgeschimpft wurde, daß sie sich unterstanden habe, unter dem Mantel hervorzulaufen.  - Clemens Brentano, Gockel, Hinkel und Gackeleia

Puppe (4)  Die Prinzessin zog  durch den Setzlingsgarten, vorbei am Geräteschuppen und am Kugelfisch-Teich, zu dem eigens für sie entworfenen Schloß. Zuerst war es ihr riesig vorgekommen, doch mit jedem Jahr war es kleiner geworden, und jetzt hatte Annamay, wenn Neuf und Schäf, die beiden Hunde, ihre Paladine, mit hinein durften, kaum Platz, um Freunde zu bewirten und sich um ihre Lieblingskinder zu kümmern.

Beide brauchten fachkundige Pflege. Marietta hatte die Hälfte ihres Haars verloren, und zwar nicht durch eine eklige Krankheit, sondern durch Neuf, der schließlich das meiste davon im Gemüsegarten wieder herausgewürgt hatte, zusammen mit einem von Luella Lus Glasaugen. Luella Lus Auge - das wunderbarerweise unversehrt geblieben war - wurde sichergestellt, gereinigt und wieder angeklebt, saß aber nun, während das andere Auge sich bewegte, starr in seiner Höhle, und jetzt sah Luella Lu immer ganz rätselhaft aus, als könne sie Dinge erblicken, die andere nicht sahen. - Margaret Millar, Banshee, die Todesfee. Zürich 1990 (zuerst 1981)

Puppe (5)  Schrecken dich in einem traum gegen morgen porzellanene puppen mit seziermessern, und du fürchtest deine mannbarkeit zu verlieren oder, wenn du eine frau bist, deine clitoris, und hast du aus diesem grund den genialen gedanken, eine statue aus purem diamant zu werden und du wirst es auf der stelle, und zerbrechen den dich umwimmelnden puppen die blinkenden instrumente, du lachst eine hämische, ja böse lache, die die augen der puppen zu asche werden läßt, und ein gedachter Manitou erscheint aus den herrschenden wolken, seilt sich zur erde nieder und bläst die asche der augen der puppen fort, als sei's ein staub und die prärie ein blanker tisch, so verrate kein wort, stehe auf und zeichne dir eine grüne sieben ins merkbuch. - (tra)

Puppe (6)  »Schau, ich zeige dir eine mechanische Puppe. Eine elektro-mechanische Puppe.«

»Hast du eine...« Sie hatte Angst, dachte Waldetar mit Sympathie, und er dachte an seine Töchter. Der Teufel soll manche von diesen Engländern holen. »Hast du eine hier?«

»Ich bin eine«, lächelte Bongo-Shaftsbury. Er schlug seine Manschette hoch und zeigte dem Mädchen die Innenseite seines Armes. Schwarzglänzend, in das Fleisch eingenäht, war da ein winziger elektrischer Schalter. Waldetar schreckte zurück, kniff die Augen zusammen. Dünne Silberdrähte liefen von dem Schalter aus den Arm hinauf und verschwanden unter dem Ärmel.

»Siehst du, Mildred. Diese Drähte laufen in mein Gehirn. Wenn der Schalter so steht wie jetzt, handle ich normal. Wenn er gedreht wird ...«

»Papa!« schrie das Mädchen.

»Alles funktioniert elektrisch. Einfach und sauber.«

»Hören Sie auf damit«, sagte der andere Engländer.

»Warum denn, Porpentine.« Boshaft: »Warum? Wegen des Kindes? Rührt Sie ihre Angst? Oder ist es Ihretwegen?«

Porpentine schien verschüchtert einlenken zu wollen. »Man macht Kindern keine Angst.«

»Hurra. Wieder Allgemeinplätze.« Leichenfinger stocherten durch die Luft. »Eines Tages, Porpentine, werde ich - oder ein anderer - Sie ertappen, wenn Sie sich gehenlassen. Wenn Sie lieben, hassen oder wenn Sie nur ein unbeabsichtigtes Zeichen der Anteilnahme erkennen lassen. Ich werde Sie beobachten. Der Augenblick, an dem Sie sich so weit vergessen, einem anderen sein Menschsein zuzugestehen, ihn als Individuum und nicht als Symbol zu betrachten - an diesem Tage vielleicht...«

»Was bedeutet ›Menschsein‹?«

»Das müßte Ihnen doch klar sein, haha. Menschsein ist etwas, das man zerstören muß.« - (v)

 Frau Mädchen, kleines Menschen, künstliche Spielzeug


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