Publikumsbeschimpfung  

                                     IHR

                                                Bananenesser und Kajakleute!

Wischt die Lafetten aus und schmiert die Posaunen zum Dreiklang Eures jüngsten Gerichts. Die Monomanen sind die Priester des Weltalls, l Tausend 9 Hundert zwanzig Jahre frohnt der heilige Geist in den Bagnos Eurer parties honteuses. Schon kabelt Europa die Schreckenskunde: Hirnzellulose nur noch im Schleichhandel greifbar. Baut Woolworth-Häuser! in denen Eure Schande nistet, aber protzt nicht mit dem Sekret Eurer Adamsäpfel, die Ihr vom Baum der Erkenntnis geklemmt!

Persönlichkeit ist die Kurve des Harakiri.

Die Bankerotterklärung durch das Mitleid als Feigenschurz.

Ihr betet zur Zangengeburt von Bethlehem, dem großen Kuppler von Himmel und Erde. Das Paradies für jedermann sofort gebrauchsfähig mittels unserer synthetischen Hakenkreuze. Hauptschlager aus den Cabarets in 1a. christlich-byzantinischer Aufmachung. Von Dionysos bis Pastor Mauke (und pathetische Cholera mit den üblichen Begleiterscheinungen nach dem Genuß unreifer Kompromißfrüchtchen!) Oder Achtung, der Messias kommt, ein Lotteriespiel mit tausendjähriger Ziehung, oder das Kalb mit den zwei Köpfen, oder, wenn Du glaubst Du hast'n, dann hupft er aus dem Kast'n.

Die sogenannten schönen Künste sind danach nur noch als Rollenpapier zu verwerten und wer sich seelisch reinigen will, der gehe statt in die Kirche zum Admiralsbad nebenan. Denn in der Unschuld haben sich immer die verdächtigsten Hände gewaschen. Und Eure Reue kommt stets zu früh, sie hinkt vor der Tat her.

Warum so heilig — revolutionär — modern!, wenn einem das Ethische egalweg hinten 'raus hängt . . . Dem Roentgen-Menschen gehört die Zukunft. Das kontrollierbare Unterbewußtsein muß die Forderung des Tages werden. Darum massiert vor dem kommenden Dauerschlaf Eure Träume sorgfältig mit Dada.

IHR

         Bananenesser und Kajakleute!

Protzt die Schädel ab und versichert das Trommelfell gegen . . . Zukunftsmusik und Humanitäts-dusel. Bedenkt, daß um die Ecke ein Mann Euer Schicksal kennt, dem eine Postkarte genügt. . . Nur keine Bange. Die theosophischen Schweinsblasen retten den Gemüseleib leicht zur Unsterblichkeit hinüber, und der General-Superintendent Wotan bläst zum Empfang den alten Dessauer auf der Prostata, sekundiert vom Flügeladjutant v. Paulus. Das große Preisrätsel: Hat Christus gelebt, ist umgestellt in das Problem: Aber seid Ihr geboren?   - Walter Mehring, in: Dada Almanach 1920. Hg. Richard Huelsenbeck im Auftrag des Zentralamts der deutschen Dada-Bewegung. Nachdruck Hamburg 1980

Publikumsbeschimpfung  (2)  Blöde Kaffern! Säue vor Perlen! Auch du, melancholischer Schweinehund von Eckensitzer! Geist schwitzender Hurer! Stammgäste eures eigenen Kotes! Du schneidig-flotter Pöbel! Hört mich an! Ich uriniere Weisheit in die Nachttöpfe eurer Gehirne... - Mynona (Samuel Friedlaender) nach: Hanne Bergius, Das Lachen DADAS.  Die Berliner Dadaisten und ihre Aktionen. Giessen 1989

Publikumsbeschimpfung  (3)  Bevor überhaupt wir zu Ihnen hinabsteigen, um auszumerzen Ihre stockigen Zähne, Ihre grindigen Ohren, Ihre Sprache, die die Krätze hat —

Bevor wir Ihre faulenden Knochen zerbrechen — Die katharrhalische Plauze öffnen um als Dünger zur Hebung der Landwirtschaft zu dienen, Ihre Fettleber, Ihre Proletenmilz und Diabetikernieren ex-stirpieren —

Bevor wir confiscieren Ihren häßlichen Sexus, der anstößig wirkt und entartet, — 

Bevor wir Ihnen den Appetit verderben auf Schönheit, Zucker, Pfeffer, Philosophie und metaphysisch — mathematisch — lyrischen Gurkensalat —

Bevor wir in Vitriol Sie tunken, um Sie zu reinigen und energisch zu läutern

Vor alledem

Wolln wir erst mal ein großes antiseptisches Bad nehmen

Wir machen Sie darauf aufmerksam:

Wir sind die großen Meuchelmörder All Ihrer kleinen Neuigkeiten

Und schließlich: wie geht das schöne Lied:

Ki Ki Ki Ki Ki Ki Ki -

Sehet den lieben Gott wie er reitet auf einer Nachtigall —

Was heißt da häßlich und schön —

Madame Deine Schnauze riecht nach Zuhältermilch

Am Morgen

Denn Abends kann man sie eher nennen: Popo eines lilientollen Engels Ist das nicht nett?

Adieu mein Freund!

C. Ribemont-Dessaignes (Paris). (Dadatraduction Walther Mehring). - Dada Almanach 1920. Hg. Richard Huelsenbeck im Auftrag des Zentralamts der deutschen Dada-Bewegung. Nachdruck Hamburg 1980

Publikumsbeschimpfung  (4)  Sie mögen mein Manifest nicht?
Sind Sie voller Feindschaft hierher gekommen, und werden Sie mich auspfeifen, noch bevor sie mich gehört haben?
Das ist sehr gut!! Machen Sie nur weiter, das Rad dreht sich, es dreht sich seit Adam, nichts hat sich geändert, nur daß wir nur noch zwei anstatt vier Pfoten haben.
Aber ich kann nur über Sie lachen, und ich will Sie für Ihren freundlichen Empfang entschädigen, indem ich für Sie von Kuuunst, von Dichtung und von usw. von usw. Ipecahuanha rede.
Haben Sie schon mal am Wegrand, zwischen Brennesseln und geplatzten Reifen, einen Telegrafenmast mühselig wachsen sehen?
Sobald er jedoch größer als seine Nachbarn ist, wächst er so schnell, daß Sie ihn nicht mehr aufhalten können ... niemals! Er öffnet sich dann mitten am Himmel, leuchtet auf, dehnt sich aus, er ist ein Sonnenschirm, ein Taxi, eine Enzyklopädie oder ein Zahnstocher.

Sind Sie jetzt zufrieden? Na also, das ist alles, was ich Ihnen zu sagen hatte. Das ist Diiichtung, glauben Sie mir.

- Dichtung = Zahnstocher, Enzyklopädie, Taxi oder Sonnenschirm, und wenn Sie nicht zufrieden sind ...

AB IN DIE TOUR DE NESLE.

Céline Arnauld

    - Nach: Manifeste und Proklamationen der europäischen Avantgarde (1909-1938). Hg. Wolfgang Asholt, Walter Fähnders. Stuttgart Weimar 1995

 

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