rüfung  Nirgendwo ist mehr ein Zeichen, auch kein schlechtes. Eine allgemeine Mythologie gibt es nicht mehr. Auch jede private wird im Lauf der Zeit zerstört. Das Ich hat keine dauerhafte Sprache mehr. So wird die Welt spelunkenhaft, und ich schleiche mich verwahrlost ins Bett. Auch Rettung durch die Träume kann nicht mehr erwartet werden. »Das ist jetzt meine große Prüfung«, denke ich: »Und ich darf nicht nach Hause!« (»Ich werde bis ans Ende der Welt gehen und meinen Mund halten«: Tania Blixen) - (bleist)

Prüfung (2)  Und so mußte mein Söhnchen auf dem Bahnhof als Telegraphist arbeiten und dann ist er Fahrdienstleiter geworden das aber habe ich Euch schon erzählt daß mein Sohn aber in Kostomlaty eine Prüfung ablegte um den Bahnhof allein bedienen zu können das habe ich Euch noch nicht erzählt... da kamen diese Herren aus Königgrätz vor denen alle Vorsteher und alle Fahrdienstleiter Angst hatten... und der Verkehrsinspektor Chmelec fragte mein Söhnchen der von Beamten umringt war... Wenn die Signale blockiert wären wie könnten Sie feststellen daß sich ein Zug dem Bahnhof nähert?... Und mein Söhnchen sagte... Mit den Augen... Ganz richtig und bei Nebel? Da zog mein Söhnchen ein weißes Taschentuch hervor und legte es vor das Gleis kniete nieder stützte sich auf die Erde und legte das Ohr auf die Schiene und lauschte eine Weile dann stand er auf und sagte zum Inspektor Chmelec Zug Nummer achthundertundvier fährt gerade durch Kamenne Zbozi... Und der Inspektor war entsetzt und sagte... In welchen Vorschriften haben Sie denn das gelesen... Und mein Söhnchen erwiderte... In einem amerikanischen Film einem Western mit Gary Cooper als Anhalter in der Hauptrolle... als Pfadfinder hat er so festgestellt ob die Indianer sich auf ihren Mustangs näherten oder wo eine Büffelherde sich befand... Und Chmelec lobte ihn und sagte der Kommission aus meinem Sohn würde ein guter Fahrdienstleiter da er peinlich auf seine Uniform bedacht sei... meine Herren er hat ein Taschentuch unters Knie gelegt damit diese schöne Hose nicht schmutzig wird... Und so wurde mein Söhnchen Fahrdienstleiter  - (hra3)

Prüfung (3)  Man hört hin und wieder Klagen über Seichtigkeit der Denkungsart unserer Zeit und den Verfall gründlicher Wissenschaft. Allein ich sehe nicht, daß die, deren Grund gut gelegt ist, als Mathematik, Naturlehre etc. diesen Vorwurf im mindesten verdienen, sondern vielmehr den alten Ruhm der Gründlichkeit behaupten, in der letzteren aber sogar übertreffen. Eben derselbe Geist würde sich nun auch in anderen Arten von Erkenntnis wirksam beweisen, wäre nur allererst vor die Berichtigung ihrer Prinzipien gesorgt worden. In Ermangelung derselben sind Gleichgültigkeit und Zweifel, und, endlich, strenge Kritik, vielmehr Beweise einer gründlichen Denkungsart. Unser Zeitalter ist das eigentliche Zeitalter der Kritik, der sich alles unterwerfen muß. Religion, durch ihre Heiligkeit, und Gesetzgebung, durch ihre Majestät, wollen sich gemeiniglich derselben entziehen. Aber alsdenn erregen sie gerechten Verdacht wider sich, und können auf unverstellte Achtung nicht Anspruch machen, die die Vernunft nur demjenigen bewilligt, was ihre freie und öffentliche Prüfung hat aushalten können.  - Immanuel Kant, Vorrede zu: Critik der reinen Vernunft (1781)

Prüfung (4) Sie erblickte Pablo zwischen den Bäumen.

«Borracho!» rief sie. «Säufer! Elender Säufer!» Dann wandte sie sich wieder mit fröhlicher Miene Robert Jordan zu. «Er ist mit einer Lederflasche Wein in den Wald gegangen, um allein zu saufen. Er säuft unaufhörlich. Dieses Leben richtet ihn zugrunde. Junger Mann, ich bin sehr zufrieden, daß du gekommen bist.» Sie klopfte ihm auf die Schulter. «Ha. Du bist kräftiger, als du aussiehst.» Sie strich mit der Hand über seine Schulter und betastete die Muskeln unter dem Flanellhemd. «Gut. Ich bin sehr zufrieden, daß du gekommen bist.»

«Ich auch.»

«Wir werden einander verstehen», sagte sie. «Trink eine Tasse Wein.»

«Wir haben schon etwas getrunken», sagte Robert Jordan. «Aber vielleicht du?»

«Nicht vor dem Essen», sagte sie. «Sonst kriege ich Sodbrennen.» Dann fiel ihr Blick wieder auf Pablo. «Borracho!» rief sie. «Säufer.» Sie wandte sich kopfschüttelnd zu Robert Jordan. «Er war ein sehr braver Mann», sagte sie. «Aber jetzt ist es aus mit ihm.»  - Ernest Hemingway, Wem die Stunde schlägt. Frankfurt am Main 1978 (zuerst 1940)

Prüfung (5) Der Weg erschien ihm fremd, und irgendwann gelangten sie in eine Stadt, die aussah wie die Hauptstadt eines Herrschers. Sie erreichten den yamen, die offizielle Residenz des Präfekten, dessen Gemächer prachtvoll ausgestattet waren, und dort trafen sie auf ungefähr zehn hochgestellte Persönlichkeiten, die Herrn Sung alle unbekannt waren, bis auf einen, den er als den Gott des Krieges erkannte. Auf der Veranda standen zwei Tische und zwei Stühle, und am Ende des einen Tisches saß bereits ein Prüfungskandidat, so daß sich Herr Sung an dessen Seite setzte. Auf dem Tisch lagen Schreibutensilien für beide, und plötzlich flog ein Blatt Papier mit einem Thema herab, das sich aus den acht folgenden Wörtern zusammensetzte: «Ein Mann, zwei Männer; mit Absicht, ohne Absicht.» Als Herr Sung seinen Aufsatz abgeschlossen hatte, trug er ihn in die Halle. Er enthielt die folgende Passage: «Die mit Absicht Rechtschaffenen werden trotz ihrer Rechtschaffenheit keinen Lohn erhalten. Die ohne Absicht Schlechten werden trotz ihrer Schlechtigkeit keine Strafe erhalten.»

Die vorsitzenden Gottheiten lobten diese Gedanken sehr. Sie forderten Herrn Sung auf, vor sie zu treten und sagten zu ihm: «In Honan wird ein Schutzengel gebraucht. Gehe hin und übernehme dieses Amt.»  - P'u Sung-Ling, Gast Tiger. Stuttgart 1983. Die Bibliothek von Babel Bd. 21, Hg. Jorge Luis Borges

Prüfung (6) Karawajew, der in Moskau studiert hatte, war eine rebellische, aufsässige Natur, kaum dreißig Jahre alt. Auf seinen Wangen blühte wie bei Bauernjungen helles Rot, und auf der einen saß eine Warze mit einem Büschel aschblonder Katzenhaare. Außer Karawajew wohnte der Prüfung der Stellvertreter des Kurators, Pjatnizki, bei, der im Gymnasium und im ganzen Gouvernement für eine wichtige Person galt. Als mich der Kurator-Stellvertreter nach Peter I. fragte, fühlte ich mich plötzlich einer Ohnmacht nahe, das Ende schien auf mich zuzukommen und ein Abgrund sich aufzutun, ein Abgrund voll Verzückung und Verzweiflung.

Von Peter dem Großen wußte ich vieles aus dem Buch von Puzykowitsch, zudem kannte ich die Gedichte Puschkins. Schluckend deklamierte ich die Gedichte. Die menschlichen Gesichter stürzten mir plötzlich in die Augen und vermischten sich dort wie neue Karten in der Hand eines Spielers. Tief in meinen. Augen vermischten sie sich, während ich zitternd und fast umsinkend, hastig, mit aller Kraft, die Puschkin-Verse herausschrie. Ich schrie lange, und niemand unterbrach mein wirres Gestammel. Durch einen purpurnen Schleier, meiner nicht mehr mächtig, sah ich vor mir das gesenkte alte Gesicht Pjatnizkis mit dem silbergrauen Bart. Er unterbrach mich nicht, und nur einmal sagte er zu Karawajew, der stolz war auf mich und auf Puschkin:

»Welch eine Nation«, flüsterte der Alte, »diese eure Juden. Sie haben den Teufel im Leibe.« - (babel)

Prüfung (7) Kein Zweifel, ich wollte Anna bei dem heiklen Augenblick eines plötzlichen Erwachens im Bett überraschen.

Ich muß sagen, daß sie die Prüfung glücklich überstand, soweit es an ihr lag. In dem Zimmer roch es nicht unangenehm stickig, sondern im Gegenteil leicht und angenehm nach weiblicher Jugend, ihr Gesicht zeigte keine Spur nächtlicher oder morgendlicher Entstellung, ihr fast nackter Körper bewegte sich mit Anmut unter dem Leintuch, das harte Morgenlicht nahm ihr nichts von ihrem wunderschönen Teint. Doch eine Sache schien das Mädchen nicht zu wissen und nicht beeinflussen zu können: ihr Doppelkinn; oder, wollen wir diesen so starken und hier übertriebenen Ausdruck vermeiden, ihre leichte Halsverdickung. Welche ich bei der augenblicklichen Position ihres Körpers mit Entsetzen und Genugtuung entdeckte. Und als sie nun mit ihrem starken südlichen Akzent redete, da erschien lebendig vor meinen Augen die ernüchternde Gestalt einer bürgerlichen Dame von dort unten, entsprechend matronenhaft, mitsamt Kinderschar und Gereiztheit gegen das Dienstmädchen und was sonst noch. Nicht daß derartige Feststellungen oder Bilder nicht doppelbödig wären, bereichern sie doch später, wie ich meine, sowohl als Kontrast wie auch unmittelbar das Geschöpf, das deren Objekt ist, unvermutet an menschlicher und vertraulicher Substanz. Ein unschuldiger, verlorener oder leidenschaftlicher Blick kann dann wahrhaftig Zärtlichkeit erwecken. Und doch war nun dieses Zeichen von der Person Anna nicht mehr zu entfernen, und ich versichere, daß ich von jenem Augenblick an von ihr geheilt war. - Tommaso Landolfi, La biere du pecheur. Das Bier des Fischers oder Die Bahre des Sünders. Reinbek bei Hamburg 1994 (zuerst 1953)

Prüfung (8)  Ich gestehe, daß Salamander mich seit jeher faszinieren, denn ich weiß, daß sich hinter der Erscheinung einer wunderschönen Amphibie mit schwarz-gelber Haut und langem, konisch nach hinten zulaufenden Schwanz nichts weniger als der Elementargeist des Feuers verbirgt. Mir ist außerdem bekannt, daß einigen Leuten der Salamander als Symbol der Keuschheit gilt, das schmerzlos die Flamme der Leidenschaft zu durchschreiten imstande sei, und daß einige fromme Christenmenschen ihn für die Personifizierung jener Verdammten halten, die auf ewig in den Flammen der Hölle ausharren müssen, ohne jemals von ihnen verzehrt zu werden. »Was in allerWelt also rät jenem Individuum, mir nicht seine wahre Natur zu enthüllen?«, so fragte ich mich an jenem Abend, während der Salamander die Fensterläden einen nach dem anderen verschloß. »Warum verbirgt er so überaus sorgfältig seine Amphibiennatur und zieht es statt dessen vor, sich den Augen der ganzen Welt als unbedeutender Sachbearbeiter beim Finanzamt zu präsentieren? Warum schließlich und endlich arbeitet er lieber in einem schäbigen Büro, anstatt in seinen prunkvollen unterirdischen Palästen zu lustwandeln?« Am selbigen Abend nahm ich einen mit Benzin gefüllten Kanister, bespritzte die Hauswand, übergoß die Schwelle vor seiner Haustür und legte Feuer.

»Es kann nicht lange dauern«, so sagte ich zu mir, während das Feuer die Finsternis erleuchtete, »und er wird in den Flammen erscheinen, vielleicht im Schlafanzug, jedoch unversehrt und meinen Streich mit einem Lächeln quittierend.« Als eine halbe Stunde später die Feuerwehr eintraf — der Kerl lebte allein, sein Schicksal schien keine Menschenseele zu interessieren, und es mußte erst eine Menge Zeit verstreichen, ehe sich einer seiner Nachbarn dazu herbeiließ, Alarm zu schlagen — hatte sich das Haus bereits in eine qualmende Ruine verwandelt, aber der Dummkopf ließ sich noch immer nicht blicken und zog es vor als Mensch dahinzugehen, anstatt mir seine wahre Natur zu enthüllen. - Javier Tomeo, Zoopathologie. Berlin  1994 (zuerst 1992)

Prüfung (9)  Es war einmal vor langer Zeit ein Schüler; und als er ausgelernt hatte, sagte sein Meister, er müsse jetzt drei Fragen beantworten, oder es würde ihm der Kopf abgeschlagen. Eine Frist wurde dem Schüler gewährt, sich vorzubereiten, und da er große Angst hatte, ging er zu einem Müller, der der Bruder seines Meisters war, und bat ihn um Hilfe.

Der Müller verkleidete sich und ging anstelle des Schülers hin, und die erste Frage, die ihm vorgelegt wurde, war: »Wie viele Leitern braucht man, um bis zum Himmel zu steigen?«

»Eine, wenn sie lang genug ist.«

»Das ist richtig.«

Die zweite war: »Wo ist der Mittelpunkt der Welt?«

Der Müller steckte einen Stock in den Boden und sagte: »Hier ist er, schlage nur einen Kreis um die ganze Welt, so wirst du hier den Mittelpunkt finden.«

Die dritte war: »Was ist die Welt wert

»Nun«, sagte der Müller, »der Heiland wurde für dreißig Silberlinge verkauft, ich bin sicher, die Welt ist nicht mehr wert.«    - (schot)

Prüfung (10)  

- Franz Sedlacek

Beurteilung Urteil
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