Privatvorstellung    Endlich hörte die Musik draußen auf zu spielen und die Musiker betraten die Schaubude. Sie kamen ohne ihre ansteckende Fröhlichkeit, als hätten sie sich nun von einem Fest zu einer Totenfeier begeben, um das »Miserere« zu spielen. Sie sahen mich alle einer nach dem anderen an, als könnte ich ein bedeutender Mensch sein, der imstande wäre, eine große Menschenmenge hereinzuführen, und zugleich sahen sie mit einem gewissen Greuel auf mich, als wäre ich das schlampige und undankbare Publikum. Nichtsdestoweniger fingen sie an zu spielen, sie spielten unaufmerksam mit Füllseln, Kicksern und schrecklich falschen Tönen, für die sie keine Verantwortung trugen, denn hätte ich mich erdreistet zu protestieren, hätten sie mir ihre Instrumente an den Kopf geworfen und mich von vorn bis hinten mit ihrer Piccoloflöte durchbohrt. Sie spielten für die anderen, damit die da draußen sie aus der Ferne hören würden, sie spielten nicht für mich, der ich die Leiche war.

Endlich gingen ganz langsam die Vorhänge auseinander und es erschien die Ballerina, die Ballerina für mich allein. Ich spürte den Haß dieser Männer, die dieser Liebe, diesem heimlichen Treffen, in das sich dieser Tanz für einen einzelnen Zuschauer verwandelte, beiwohnten. Ich begriff, daß dies zuviel war, aber ich konnte es nicht verhindern. Wie hätte ich jetzt noch hinausgehen können? Die Musik würde erstaunt Über mein Aufgeben verstummen, die Ballerina stehenbleiben wie gelähmt, der Vorhang begänne sich von allein zu schließen, und der Mißerfolg würde uns einhüllen.

Ich setzte meine versöhnlichste Miene auf, und mein Blick gab der Ballerina ein solches Vertrauen, daß sie mir den Tanz widmete. Ich bemerkte diesen Entschluß an der ruckartigen Bewegung ihres Kopfes zu Beginn des Tanzes. Ich sah, wie sie bereit war, sich der Leidenschaft hinzugeben, wie sie sich in einem außergewöhnlichen Moment auch der Hetäre bemächtigt, daß sie sich wirklich so hingibt, wie sie nicht geglaubt hatte, es zu können.

Jener Tanz, für mich allein in der einsamen Schaubude getanzt, war einmalig. Manchmal wandte sie die Augen von mir ab, aber es geschah, wenn sie sich am meisten hingab, wenn sie ihren Bauch herausstreckte, ihren Ausschnitt darbot, wenn ihre Brüste sich für mich öffneten. Nicht zu schildern ist die Erinnerung an jenen Tanz! Er endete abrupt, und die Musiker in ihrem Ärger, daß ich einen glücklichen Umstand ausgenutzt hatte, stießen mich ins Freie. Schon zur nächsten Vorstellung aber sah ich viele Männer hineingehen und sicherlich würde die Schaubude von nun an nie wieder einsam sein.   - (cirkus)

Theater Show

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