oularden im älteren und eigentlichen Sinne sind weibliche Kapaune, hoffnungsvolle Hühnerjungfrauen, denen die unheilvolle Schere alle Aussichten auf das Vergnügen der Mutterschaft abgeschnitten hat.
Neuerdings hat man jedoch erkannt, daß das Fett der edlen Weiblichkeit sich ziemlich unabhängig von der Liebe entwickelt, und begnügt sich daher mit der einfachen Klausur der Tierchen ohne alle Operation. Die auf diese Weise gezogenen reinen Masthühner sollen sogar leichter und vollständiger fett werden als die eigentlichen Poularden. Das Fettwerden aber ist in diesem Falle die große Hauptsache, denn »das Fett ist der Stolz der Poularde, wie die Schwindsucht der Stolz des lyrischen Dichters ist« (Grimod).
Eine Poularde kann gar nicht fett genug sein, ist sie‘s
aber, so liefert sie, besonders wenn man ihre Eingeweide durch Trüffeln
ersetzt, den denkbar zartesten, saftigsten und würzigsten Braten, den je
eines Menschen Nase gerochen und eines Menschen
Zunge verschmeckt hat. Für eine solche getrüffelte
Poularde könnte man seine letzte Liebe abschwören
oder sonst ein heroisches Opfer bringen. Dergleichen
Muster edler Feistigkeit sind aber fast nur in Frankreich zu finden, wo
La Flèche, Le Mans, Houdan und die Bresse schon seit zweihundert Jahren
um die Palme der Mästkunst streiten und ein Exemplar
erster Güte mit 7 1/2 - 9 Francs bezahlt wird, während ein Wiener Masthuhn
kaum jemals über 4 1/2 Mark zu stehen kommt. Bei diesem ist daher auch
die Speckgarnitur unerläßlich wie bei einem Ritter das Wörtchen »von«.
Erst wenn kunstgerecht gespickt und gehörig mit Speck umbunden, erscheint
das Masthuhn seines Namens würdig und gibt dann allerdings sowohl einen
hochachtbaren Spießbraten wie gedünstet mit Austern- oder Muschelsauce
eine sehr begehrenswerte Schüssel, die, wenn keine heroischen Entschlüsse
zu zeitigen, doch einen äußerst reellen Genuß zu bieten vermag. -
(
ap
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