olygamie

 -  Tomi Ungerer's Hintereinander. München 1991

Polygamie (2)  Da kamen die Frauen des Elder Lubel Perciman. Sie waren vierzehn, alle in schwarzen Seidenkleidern mit feuerroten Spitzenvolants. Sie trugen alle den Familiennamen ihres Mannes, und man unterschied seine Frauen an ihren Vornamen. Dann kamen die Ehefrauen des Löwen des Herrn, des Propheten Brigham Young. Es waren vierundzwanzig Frauen, von denen die jüngste dreizehn und zwei über dreißig Jahre alt waren, die eine davon achtunddreißig und die älteste vierundfünfzig. Sie trugen Nummern, der Reihenfolge nach, und die Ehefrau Nummer neunzehn, die vierundvierzig Jahre alt war, blickte unentwegt voller Inbrunst zu den Daniten. Alle waren sehr elegant und zeigten wertvollen Schmuck.

Dann waren da die streng gekleideten zweiundzwanzig Frauen des Weinstocks von Kanaan, Walter Ruffins. Ihre grauen Kleider schleiften im Staub, sie trugen große schwarze schmucklose Filzhüte, deren Deckelform an einen flachen Klappzylinder erinnerte, deren Krempe jedoch vorn und hinten weit hochgebogen war und an den Seiten ganz schmal wurde. Es kamen die elf Frauen der Sonne der Vollkommenheit, Robin Farmesneare. Die eine hatte ein Gewand aus roter Wolle an, das war meine Mutter, zwei kamen in rotbraunen Seidenkleidern, zwei andere in gestärkten weißen Leinenröcken und gelben Spenzern mit rosa Trägern, vier andere trugen kurze Röcke, diese in Blau und jene in Grün, mit einer großen gelb-schwarz-rot gestreiften schottischen Schleife auf dem Rücken, die letzte schließlich hatte ein kurzes Seidenkleid in schillernden Farben an; sie trugen das Haar offen und auf dem Kopf kleine indianische Kronen aus weißen und roten Federn. Sie wurden mit dem Namen ihres Ehemannes und dem davor gesetzten Namen ihres Vaters gerufen. Alle elf waren sie schwanger, offenbar sogar hochschwanger. Sie schoben ihre gewaltigen Bäuche vor sich her und hatten einen stolzen Gang. - (apol)

Polygamie (3)   Um seine erhabenen Pläne zu verwirklichen, so stellte Rediger es dar, bediente sich der Schöpfer des Universums beim unbeseelten Kosmos der geometrischen Gesetzmäßigkeiten (natürlich einer nicht euklidischen und nicht kommutativen Geometrie; aber eben doch einer Geometrie). Im Gegensatz dazu spiegelten sich die Pläne des Schöpfers bei den Lebewesen in deren natürlicher Auslese wider: Durch sie erlangten die beseelten Geschöpfe ihr Höchstmaß an Schönheit, Vitalität und Kraft. Für alle Tiergattungen, zu denen auch der Mensch gehöre, gelte dasselbe Gesetz: Nur einige Individuen seien dazu bestimmt, mit ihren Samen die nachfolgende Generation zu zeugen, von der wiederum eine unendliche Zahl von Generationen abhing. Aufgrund des Verhältnisses der Trächtigkeitsdauer bei den Weibchen zur nahezu unbegrenzten Fortpflanzungsfähigkeit der Männchen laste der Selektionsdruck vor allem auf Letzteren. Die Ungleichheit zwischen den Männchen - wenn manche von ihnen in den Genuss mehrerer Weibchen kämen, müssten andere zwangsläufig darauf verzichten - solle folglich nicht als abartiger Effekt der Polygamie angesehen werden, sondern gerade als ihr eigentliches Ziel. Auf diese Weise würde sich das Schicksal der Gattung vollenden.  - Michel Houellebecq, Die Unterwerfung. Köln 2015

 

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