Philosophieren  Zuerst also, mein lieber Herodot, müssen wir uns klarwerden über das, was den Worten zugrunde liegt, um durch Zurückführung darauf einen festen Anhalt zu gewinnen zur Beurteilung der mannigfachen darauf bezüglichen Meinungen, Fragen und Zweifel und um nicht - im Fall der Ermangelung eines solchen Urteils - mit unsern Darlegungen uns ins Unendliche zu verlieren oder es mit leeren Worten zu tun zu haben. Denn bei jedem Wort muß der zugrunde liegende Gedanke gleichsam mit Augen geschaut werden und keines Beweises bedürfen, wenn anders wir einen festen Punkt haben müssen, auf den wir das Gesuchte, Bezweifelte oder bloß vermutungsweise Erkannte zurückführen können. Ferner gilt es, die sinnlichen Wahrnehmungen genau festzuhalten sowie die dabei sich einfindenden Anregungen des Denkvermögens oder sonst welcher Beurteilungsinstanz, in gleicher Weise aber auch die begleitenden Affekte, auf daß wir daran einen Anhalt haben für Deutung des Kommenden und Unbekannten.

Ist man darüber ins reine gekommen, so gilt es, sich über das Unbekannte seine Ansicht zu bilden. Zunächst, daß nichts aus nichts wird. Andernfalls würde alles aus allem werden, da es ja keines Samens bedürfte. Und ginge das Verschwindende ins Nichtseiende unter, so wäre es wohl schon längst um alle Dinge geschehen, da das, worein sie sich auflösten, ein Nichts wäre. Es war aber auch das Ganze immer von gleicher Art wie jetzt, und es wird auch immer so sein. Denn es gibt ja nichts, worein es sich umwandeln könnte. Denn außer dem Ganzen gibt es nichts, was in es eindringen und es dadurch verändern könnte.  - Epikur, nach (diol)

Philosophieren (2)  »Ich wurde mutlos, mein Teurer«, murmelte er, zitterte und wischte sich den kalten Schweiß fort. »Wurde mutlos.«

»Dann philosophieren Sie halt«, sagte Iwan Dmitritsch ironisch.

»Mein Gott, mein Gott... Ja, ja ... Sie beliebten einmal zu sagen, daß es in Rußland keine Pliilosophie gebe, doch daß einfach alle philosophieren, sogar die kleinsten Leute. Dieses Philosophiereu der kleinsten Leute kann jedoch niemandem schaden«, sagt Andrej Jefimytsch in einem Ton, als wenn er weinen und jemanden damit erweichen wollte. »Warum dann, mein Teurer, dieses boshafte Lachen? Und wie sollen die kleinen Leute nicht pliilosophieren, wenn sie unbefriedigt sind? Für den gescheiten, gebildeten, stolzen, freiheitsdurstigen Menschen, für das Ebenbild Gottes gab es nur den einen Ausweg, als Arzt in ein schmutziges dummes Städtchen zu gehen und dort das ganze Leben über nichts als Schröpfköpfe, Blutegel und Senfpflaster. Nichts als Charlatanerie, Engstirnigkeit und Niedrigkeit! O mein Gott!«

»Sie reden Unsinn. Wenn Ihnen Arzt zuwider war, warum sind Sie nicht Minister geworden;«

»Nirgends, nirgendslhin. Wir sind schwach, mein Teurer ... Ich war gleichmütig, ich stellte eifrig lauter gesunde Überlegungen an, kaum aber begann das Leben, mich rauh anzupacken, undschonwurdeichmutlos... ein Zusammenbruch... Schwach sind wir, Pfuscherarbeit... Und auch Sie, mein Teurer. Sie sind klug, Sie sind vornehm, Sie haben mit der Muttermilch gute Triebe eingesogen, allein kaum traten Sie ins Leben, da waren Sie erschöpft und wurden krank ... Schwach, schwach!«

Außer dem Grauen und dem Gefühl der Kränkung war noch etwas Unabwendbares da, das seit dem Anbruch des Abends Andrej Jefimytsch peinigte. Endlich bcgriffer, daß er Durst nach Bier hatte und rauchen wollte.  - Anton Tschechow, Krankenhauszimmer Nr. 6.  Nach (tsch) 

 

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