Philosoph, vergnügungssüchtiger    Paradis begriff, daß er den Rat des Chefs befolgen mußte: keine Geschichten. Er drückte auf einen Hebel, die Rotation hörte auf und die beiden Knülche, gefolgt von ihren Damen, gingen triumphierend und spöttisch hindurch.

Einer der  Zuschauer-Philosophen mochte diese Beleidigung nicht hinnehmen. Erbittert darüber, sich um ein besonderes Vergnügen betrogen zu sehen, für das er drei Francs bezahlt hatte, verließ er seinen Platz, sprang auf die Estrade und begann den Kampf. Seine Faust prallte auf das Auge eines der Kerle, aber dessen Kumpel schlug ohne Zögern zurück und demolierte mit einem ebenso fachmännischen wie treffenden Schlag ein Ohr des Angreifers. Worauf der Philosoph, wahnsinnig vor Schmerz, sich auf seine Gegner stürzte, und alle drei rollten am Boden. Paradis und Petit-Pouce versuchten sie zu trennen, aber andere Philosophen, vom Beispiel mitgerissen, eilten herbei, stießen die beiden Angestellten zurück und trampelten eifrig auf den drei ineinander verschlungenen Ringkämpfern herum. Einigen zweideutigen Gestalten, in Ihren Instinkten provoziert und von ihren Sympathien geleitet, fiel ein, zur Verteidigung ihrer Kollegen zu schreiten, und unversehens fielen sie über die Philosophen her. Ein Schutzmann, der dazwischentreten wollte, wurde durch die Zentrifugalkraft des Eifers der Kämpfer aus dem Strudel herausgeschleudert. Paradis wischte sich die Nase ab, Petit-Pouce rieb sich die Rippen; die Menge, die sich von den Sitzen erhoben hatte, blökte vor Freude und Empörung.

Pierrot, der auf seinem Platz stehengeblieben war, sah in einem Nebel das staubaufwirbelnde Handgemenge, und da sich niemand mehr für seine Tätigkeit interessierte, setzte er seine Brille wieder auf. Nachdem er die Situation in Augenschein genommen hatte, zweifelte er keinen Augenblick daran, daß seine Gegenwart notwendig sei, und, über die Balustrade springend, tauchte er in dem Haufen unter. Zuerst wurde seine Brille fortgeschleudert, dann er selber mit einem dunkelblauen Auge. Er las seine Gläser wieder auf, von denen nur eins einen Sprung hatte, und hockte sich in eine Ecke. Er hatte genauso viel getan wie seine Kameraden. Sie sahen jetzt aufmerksam, aber unbeteiligt der Schlägerei zu. Und wenn ein abgebrochener Zahn oder eine abgebissene und dann ausgespuckte Nasenspitze bis zu ihnen hinrollte, begnügten sie steh damit, das Zeug mit dem Handrücken wegzufegen; dann wischten sie das Blut von der Hand ab.

Aber Monsieur Tortose, der gewarnt ist, alarmiert die Polizei, und bald dröhnen die Gummiknüppel auf den rasenden Schädeln. Das Prestige der Polizisten, vor allem das Prestige, beseitigt die Unordnung, so wie die Spitze eines Schwertes ein Phantom zerstört, und der energisch geräumte Saal zeigte nur mehr die zerfetzten Velourbezüge seiner Sitze und den zertrampelten Staub seines Bodens.

Der Inhaber des Juxpalastes, dem von den kompetenten Behörden mitgeteilt worden war, daß seine Schau für den Rest des Abends geschlossen bliebe, kam herein, betrachtete Velourbezüge und Staub, Rutschbahn und Tonne, schnaufte laut und ging langsam auf seine drei Angestellten zu, die sich abrieben, abbürsteten und abmühten, einigermaßen anständig auszusehen. - Schweinebande, murmelte er.   - Raymond Queneau, Mein Freund Pierrot. Frankfurt am Main 1964 (zuerst 1942)

Philosoph Vergnügen

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VB
Spass haben wollen

 

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