ferdefuß   An einem Abend war ich in ein Kaffeehaus oder Kasino der Neustadt gegangen, wohin mich schon einmal ein Bekannter zum Billard geführt hatte. Ich hoffte, da die neuesten Zeitungen zu finden. An einem Tischchen spielten zwei Herren nachdenkend ihre Partie Schach. Einige junge Männer saßen am Fenster in lebhaftem Gespräch über Totenerscheinungen und Natur der menschlichen Seele. Ein kleiner, ältlicher Mann in scharlachrotem Überrock wanderte, die Hände auf dem Rücken, im Zimmer auf und ab. Ich nahm ein Glas Danziger Wasser und die Zeitungen.

Niemand machte meine Andacht so rege als der scharlachrote Spaziergänger. Ich vergaß selbst die Zeitungen und den Spanischen Krieg. Er hatte, wie in der Kleidung etwas Geschmackloses, in Gestalt, in Bewegungen, in Gesichtszügen etwas Auffallendes und Widerliches. Er war von weniger als mittlerer Größe, aber starkknochig, breitschultrig, mochte fünfzig bis sechzig Jahre haben und ging mit dem Kopfe gebückt, wie ein Greis. Ein pechschwarzes, glänzendes Haar hing ihm glatt und spießig um den Kopf. Das schwarzgelbe Gesicht mit der Habichtsnase und den vorragenden Backenknochen hatte etwas Abstoßendes. Denn während alle Züge kalt und eisern waren, schimmerte sein großes Auge so lebhaft wie das Auge eines begeisterten Jünglings, ohne daß man darin Begeisterung und Seele las. Der, dachte ich, ist geborner Scharfrichter oder Großinquisitor oder Räuberhauptmann oder Zigeunerkönig. Des Spaßes willen könnte der Mann Städte in Flammen auflodern und Kinder an Speeren zappeln lassen. Ich möchte nicht mit ihm in einem Walde allein reisen. Er hat gewiß in seinem Leben noch nicht lächeln können.

Allein ich irrte mich. Er konnte lächeln. Er hörte den jungen Herren am Fenster zu und lächelte. Aber, Gott sei bei uns, das war ein Lächeln! Es überlief mich eiskalt. Die schadenfrohe Hölle schien aus allen Zügen zu spotten. Wenn der im roten Rocke nicht der Teufel ist, dachte ich, so ist's sein Bruder. Ich sah ihm unwillkürlich nach den Füßen, den bekannten Pferdehuf zu beobachten, und richtig, er hatte einen Menschenfuß wie unsereiner, und sein linker war ein Klumpfuß im Schnürstiefel. Doch hinkte er damit nicht und trat überhaupt so schleichend auf wie über Eierschalen, die er nicht zerdrücken wollte.   - Nach: Heinrich Zschokke, Hans Dampf in allen Gassen. Humoristische Erzählungen, Novellen und Fabeln. Frankfurt am Main 1980 (it 443, zuerst  ca. 1830)

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