Niemand machte meine Andacht so rege als der scharlachrote Spaziergänger. Ich vergaß selbst die Zeitungen und den Spanischen Krieg. Er hatte, wie in der Kleidung etwas Geschmackloses, in Gestalt, in Bewegungen, in Gesichtszügen etwas Auffallendes und Widerliches. Er war von weniger als mittlerer Größe, aber starkknochig, breitschultrig, mochte fünfzig bis sechzig Jahre haben und ging mit dem Kopfe gebückt, wie ein Greis. Ein pechschwarzes, glänzendes Haar hing ihm glatt und spießig um den Kopf. Das schwarzgelbe Gesicht mit der Habichtsnase und den vorragenden Backenknochen hatte etwas Abstoßendes. Denn während alle Züge kalt und eisern waren, schimmerte sein großes Auge so lebhaft wie das Auge eines begeisterten Jünglings, ohne daß man darin Begeisterung und Seele las. Der, dachte ich, ist geborner Scharfrichter oder Großinquisitor oder Räuberhauptmann oder Zigeunerkönig. Des Spaßes willen könnte der Mann Städte in Flammen auflodern und Kinder an Speeren zappeln lassen. Ich möchte nicht mit ihm in einem Walde allein reisen. Er hat gewiß in seinem Leben noch nicht lächeln können.
Allein ich irrte mich. Er konnte lächeln. Er hörte den jungen Herren
am Fenster zu und lächelte. Aber, Gott sei bei uns, das war ein Lächeln!
Es überlief mich eiskalt. Die schadenfrohe Hölle
schien aus allen Zügen zu spotten. Wenn der im
roten Rocke nicht der Teufel ist, dachte ich, so ist's sein Bruder. Ich
sah ihm unwillkürlich nach den Füßen, den bekannten Pferdehuf zu beobachten,
und richtig, er hatte einen Menschenfuß wie unsereiner, und sein linker
war ein Klumpfuß im Schnürstiefel. Doch hinkte er
damit nicht und trat überhaupt so schleichend auf wie über Eierschalen,
die er nicht zerdrücken wollte. - Nach: Heinrich Zschokke,
Hans Dampf in allen Gassen. Humoristische Erzählungen, Novellen und Fabeln.
Frankfurt am Main 1980 (it 443, zuerst ca. 1830)
Pferdefuß (3)
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