fau   — ein großer Name und nichts dahinter, denn so hoch der feder- und farbenprächtige Gesell als Ziervogel zu schätzen ist, so wenig gastronomische Bedeutung wohnt ihm inne, man müßte ihn denn nach alter Sitte in vollem Federschmuck als Schaugericht auf die Tafel setzen. Die Henne soll freilich nach englischen Autoritäten in geschmacklicher Hinsicht »zwischen dem Huhn und dem Fasan die Mitte halten«, d.h. aber in ehrlichem Deutsch nichts anderes, als sie schmeckt weniger gut als beide, und vom alten Hahn ist aus trübseliger Erfahrung hinlänglich bekannt, daß keine Gewalt der Erde ihn mürbe zu machen im Stande ist. Halbwüchsige Pfauen sind allerdings minder verworfen, man muß ihnen sogar Zartheit und Wohlgeschmack nachrühmen, etwas Besseres als ein Backhendl aber läßt sich auch aus ihnen nicht herstellen. Mit diesen Tatsachen war auch das Altertum bereits vertraut, und eben deshalb verfielen Narren wie Vitellius und Heliogabal, die den Vogel gerade wegen seiner Kostbarkeit kulinarisch verwertet wissen wollten, auf die abgeschmackte Idee, Ragouts aus Pfauzungen und Pfauhirnen aufzutischen.

Gleichwohl hat der Vogel, ganz abgesehen von diesen absurden Ausnahmegerichten, einst eine wichtige Rolle auf der Tafel gespielt. Ein Inder, d.h. in Ostindien und auf Ceylon heimisch und dort wahrscheinlich frühzeitig gezähmt, kam er — falls diese »Pfauen« Salomos nicht etwa Papageien gewesen sind! — zuerst unter Salomo, also etwa um 975 v. Chr., nach Palästina, gelangte aber auffälligerweise erst ein halbes Jahrtausend später »aus Asien« nach der Insel Samos in den Tempel der Juno und bald darauf (etwa um 425 v. Chr.) durch persische Gesandte nach Athen, wo er erst nach den Heerzügen Alexanders (um 325 v. Chr.) häufiger wurde. Italien empfing ihn entweder aus Griechenland oder aus Karthago, und der Sachwalter Hortensius Hortalus soll der erste gewesen sein, der ihn etwa um 70 v. Chr. auf die Tafel brachte. Zwischen 60 und 50 v. Chr. erfand dann ein gewisser Aufidius Lurco die Kunst der Pfauenmast, und damit begann die römische Pfauenzucht im Großen, die in der Folge einen solchen Umfang annahm, daß gegen Ende des 2. Jahrhunderts n. Chr. die Pfauen in Rom gemeiner gewesen sein sollen als die Wachteln. Der Vogel überstand daher auch den Zusammenbruch des Römischen Reiches und taucht um 800 n. Chr. auf den Maierhöfen Karls des Großen wieder auf, um fortan seine Schwanzfedern zur ritterlichen Helmzier und sich selber mit Kopf und Kragen zum Schaugericht auf der Herrentafel herzugeben. Pfauenbraten galt im ganzen Mittelalter gleich den goldenen Sporen für ein Privilegium des Ritterstandes; in Spanien war der Genuß desselben dem gemeinen Volk sogar durch ein eigenes Gesetz untersagt.

Noch der geistreiche Leo X. schwärmte für gebratenen Pfau. Er geriet eines Tages in gewaltigen Zorn, als sein Koch das unberührt gebliebene Gericht, anstatt es aufzuheben, ins eigene Refektorium verpackt hatte, und als man sich über seine Heftigkeit wunderte, entschuldigte er sich witzig einlenkend mit den Worten: »Meiner Treu, ist der Herrgott wegen eines gestohlenen Apfels in Zorn geraten, so darf ich mich wohl auch wegen eines unterschlagenen Pfaus ereifern.« Jetzt darf jeder Pfau essen, der Lust und Geld hat — aber seltsam, nun mag ihn keiner mehr. - (ap)

Pfau (2) Das herrliche Gefieder des Pfaus muß Dürers Aufmerksamkeit erregt haben. Dennoch weiß man von keiner bedeutenden Studie zu diesem Vogel, dessen kostbares Fleisch man ebenso preist wie seine wunderbaren Federn. Ein Pfau befindet sich unter dem Glücksrad auf dem Holzschnitt Der Fuchs und die Zeit drehen das Glücksrad. Da er sich hier offenbar fehl am Platz fühlt, entfaltet er indigniert sein Gefieder nicht. Auf Dürers Wappenholzschnitt von 1520 stecken zwölf Pfauenfedern in den Büffelhörnern, die der Krone der Roggendorfs entwachsen. Das Werk entstand in Antwerpen, wo man solche Federn importierte. Sie formen einen Strahlenfächer um den drohend aufgerichteten, gekrönten Roggendorflöwen herum. Indem Dürer ein solch bombastisches Wappen schuf, bot sich ihm, der sich zeitlebens gern herausputzte, die Möglichkeit, selbst zum Pfau zu werden, denn die reichen Brüder bezahlten ihn mit sieben Ellen kostbaren Seidensamts.  - Colin Eisler, Dürers Arche Noah. Tiere und Fabelwesen im Werk von Albrecht Dürer. München 1996 (zuerst 1991)

Pfau (3)

Schlägt dieser Vogel das Rad:
Die Erde streift das Gefieder.
So schön er aussieht, er hat
Hinten entblößt sich doch wieder.

- Guillaume Apollinaire, Bestiarium. Übs. Karl Krolow. Giessen 1959

Pfau (4)  Schuhe! Winzige Schühchen, makellos adrett; darüber das Aufblitzen dünner, grüner Strümpfe über noch adretteren Fesseln.

Ein perlendes Lachen erklang, und Garvey kam wieder zu sich; rot und transpirierend, hob er den Blick entlang dem schlanken, grüngekleideten Körper zu den Augen des Pfaus.

Denn der war es ohne Zweifel. Ihr Haar war furchtbar rot, selbst in der Dunkelheit, und es schimmerte volle acht Zoll über ihre Stirn hinaus, höhergetürmt als jedwedes Haar, das Garvey bislang gesehen hatte. Der Mond schien buttrig hindurch wie durch Moskitonetz.

Ihr Hals war lang und weiß, ihre Lippen waren röter als ihr Haar, ihre grünen Augen mitsamt dem schmiegsamen Seidenkleid, das wogte wie aufgestörtes Wasser überm Seegras, wenn sie sich bewegte, vervollständigten die gewagte Kreation. Die zuständigen Stellen hatten sich aufs Plakative verlegt, als sie den Pfau schufen.

Sie war unglaublich ansehnlich, und sie amüsierte sich über Garvey. Wieder perlte das silbrige Lachen, als er sie anstarrte, einen Puls von hundert im Stand.

Er versuchte, sich einzureden, daß dieser psychologische Effekt seinem Reporterinstinkt zuzuschreiben sei, doch steht zu vermuten, daß Lilac Jane sich ihre eigene Meinung über den Pfau gebildet hätte, wäre sie zugegen gewesen.

»Nun, junger Mann?« verlangte sie Auskunft, und die wundervollen Augen begannen ihr todbringendes Werk.

»Ich... entschuldigen Sie, ich wollte nicht...« Garvey zappelte hoffnungslos, unternahm jedoch keinerlei Fluchtversuch.

»Sie machen mir Komplimente, indem Sie mich so anstarren? Das wollten Sie doch wohl sagen, hm?«

Wieder lachte sie, glitt neben ihn und nahm seinen Arm. »Ich mag Sie, junger Mann«, sagte sie.

»Man kennt mich als Garvey, und ich bin beim - Argus.«

Woraufhin sie herumfuhr und ihn scharf musterte. »Ein Reporter!«

Doch wieder erklang das silberhelle Lachen, und sie setzten ihren Weg fort. »Ja, warum auch nicht?« sagte sie heiter.

Als nächstes, gänzlich unerwartet: »Tanzen Sie Tango?«

Garvey fand die Sprache nicht so rasch wieder und nickte stumm.

»Ich liebend gern!« verkündete der Pfau und machte ein, zwei Tangoschritte neben ihm. »Wollen Sie mich nicht irgendwohin führen, so daß wir ein, zwei Runden drehen können?«

Mit zugeschnürter Kehle erwähnte Garvey ein guteingeführtes Etablissement.

»Bewahre!« rief die grünäugige Sirene, und der Blick, den sie ihm aus weitaufgerissenen Augen zuwandte, war schockiert. »Ich trinke nicht! Gehen wir lieber in einen Teesalon - zu Poiret's.« Sie nannte ihn »Poyrett's«.

Garvey ließ sich willig zur Schlachtbank führen, und während sie dorthin liefen, plauderte sie unbeschwert. Er zog sein Taschentuch heraus und tupfte sich sacht die Schläfen.

»Meine Güte«, sagte sie gedehnt, »das duftet ja wie kurz vor einer Ohnmachtsepidemie!«

Garvey war gekränkt, entschied jedoch in seinem tiefsten Innern plötzlich, daß Duft an einem maskulinen Schnupfenbekämpfungsmittel unangebracht sei.

Sie lenkten ihre Schritte in ein hellerleuchtetes Lokal, in dem sich bereits einige wenige Mädchen und noch weniger Männer aufhielten.

Sie suchten sich einen Tisch, und sie bestellte Tee und Kuchen und drängte ihren Begleiter, er möge sich nur ja keine Zurückhaltung auferlegen. Gehorsam bestellte Garvey reichlich.

Alsbald setzte die Musik ein, und er schwenkte sie hinaus auf den Tanzboden und hinein in den faszinierenden Tanz.

Nun war Garvey selbst wahrlich kein schlechter Tänzer. Aber erst der Pfau!

Sie war leicht und wendig wie eine grüne Nebelschwade, und dabei hielt er doch solide Knochen und Muskeln in seinen Armen.

Sie war die Poesie der Bewegung, der Geist des Tanzes, der Inbegriff von Anmut und Schönheit.

Und als die Musik aufhörte, hätte Garvey weinen können vor Ärger, obwohl er doch recht außer Atem war.

Der Pfau hingegen war keineswegs bekümmert. Allerdings hatte sie auch den ganzen Tanz hindurch geredet.

Garvey hatte schon längst kapituliert. Lilac Jane? Pah! Was waren schon tausend Lilac Janes gemessen an diesem herrlichen Geschöpf, dieser Venus Anadyomene - schaumgeborenen Aphrodite?

Im hellen Licht des Teesalons waren ihre grünen Augen grüner, ihr rotes Haar röter, ihre weiße Kehle weißer. Er hätte eine Texas Ranch für sie gegeben und das Vieh noch obendrein.

Er versuchte, ihr das andeutungsweise mitzuteilen, und sie lachte entzückt.

»Was habe ich bloß an mir, daß die Männer dermaßen verrückt nach mir sind?« wollte sie wissen und nippte träumerisch an ihrem Tee.

Er zuckte zusammen. »Sind die das?«

»Oh, schamlos. Sie lassen alles fallen, Kinnladen, Hab und Gut und jedwedes Bündel, an dem sie gerade zu tragen haben. Weshalb bloß?« - Djuna Barnes, Der schreckliche Pfau. In: D.B., Die Nacht in den Wäldern. Short Stories. Berlin 1984

Pfau (5) Ist nämlich der Pfau ein ganz entzückender Vogel vor allem Geflügel unter dem Himmel, von prächtiger Farbe und mit lieblichen Fittichen, und schreitet umher hierhin und dorthin und siehet sich selber mit Freuden und plustert sich und windet sich und schaut sich nach sich selber um.

Aber wenn sein Blick auf seine Füße fällt, da schreit er wild und klagend auf; denn seine Füße stimmen gar nicht zu seiner sonstigen Gestalt.  - (phys)

Pfau (6, prächtiger)

"Schöner Pfau"

 - Félicien Rops

Pfau (7) Der Pfau des Hochmuts sagte mühsam zu mir: »Danke!« Man sagt »danke, Herr«. Aber er konnte nicht mehr sagen. Es handelte sich um einen Pfau mit kahlem Schädel, der in den Fundamenten eines Gebäudes hockte. Seine Flügel konnten ihn nicht tragen, so daß er davongeflogen wäre, aber ich setzte ihn auf Bodenhöhe und er machte Anstalt, wegzulaufen. Doch er lief nicht weg. Das Gebäude wird jeden Tag höher; und auf jedem Stockwerk ist der Pfau noch da. Sein Blick ist dumm und schrecklich. - Max Jacob, Höllenvisionen. Frankfurt am Main 1985 (zuerst 1924)
 

Vögel Tiere, eßbare
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