erzeption
Schon dies kostet dem Menschen Mühe, sich einzugestehn, wie das Insekt
oder der Vogel eine ganz andere Welt perzipieren als der Mensch, und daß
die Frage, welche von beiden Weltperzeptionen richtiger ist, eine ganz
sinnlose ist, da hierzu bereits mit dem Maßstabe der richtigen Perzeption, das heißt mit einem nicht vorhandenen Maßstabe
gemessen werden müßte. Überhaupt aber scheint mir „die richtige
Perzeption" — das würde heißen: der adäquate Ausdruck eines Objekts im
Subjekt — ein widerspruchsvolles Unding: denn zwischen zwei absolut
verschiednen Sphären, wie zwischen Subjekt und Objekt, gibt es keine Kausalität, keine Richtigkeit, keinen Ausdruck, sondern höchstens ein ästhetisches Verhalten, ich meine eine andeutende Übertragung, eine nachstammelnde Übersetzung
in eine .ganz fremde Sprache: wozu es aber jedenfalls einer frei
dichtenden und frei erfindenden Mittelsphäre und Mittelkraft bedarf. Das
Wort „Erscheinung"
enthält viele Verführungen, weshalb ich es möglichst vermeide: denn es
ist nicht wahr, daß das Wesen der Dinge in der empirischen Welt
erscheint. Ein Maler, dem die Hände fehlen und der durch Gesang das ihm
vorschwebende Bild ausdrücken wollte, wird immer noch mehr bei dieser
Vertauschung der Sphären verraten, als die empirische Welt vom Wesen der
Dinge verrät. - Friedrich Nietzsche, Über Wahrheit und Lüge im außermoralischen Sinne
|
||
|
|