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Pastorensohn (2)
Von Senkern aus dem Patronat, Der Alte pumpt die Dörfer rum Der Alte ist im Winter grün In Gottes Namen denn, mein Sohn, In Gottes Namen denn, habt acht, Der Alte ist im Winter grün Verfluchter alter Abraham, Von wegen Land und Lilientum |
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Pastorensohn (3) Ich habe ja ein ausgesprochenes
Faible für das Pfarrhäusliche, obschon ich mich so weit davon entfernte. In
meinem heimatlichen gab es keinen Chopin, es war völlig amusisch, mein Vater
hat nie in seinem Leben ein Buch gelesen, einmal, Anfang des Jahrhunderts, war
er in Berlin im Theater gewesen, in Wildenbruchs »Haubenlerche«, erinnere ich
mich. Aber ein großer Zelot u. Fanatiker war er auch; aber es ging von ihm eine
Stärke aus, wie ich sie nie wieder an irgendeinem Menschen erlebt habe: wenn
er neben Ihnen stand, konnte Ihnen nichts passieren u. Sie konnten nicht sterben
-, ein seltsamer Mann. - Gottfried Benn
an Hans Egon Holthusen, 16. Mai 1954. In: G.B., Das gezeichnete Ich. Briefe aus
den Jahren 1900-1956. München 1962 (dtv 89)
Pastorensohn (4) Ich ging mit Zerbino zum Alexanderplatz. Er wollte dort »Weiber anquatschen«. Es blieb auch nicht immer dabei. Im allgemeinen sind solche Typen, die nur das Geschäft stören, bei den Professionellen wenig beliebt. Zerbino machte eine Ausnahme. Er zählte keineswegs zu den gut aussehenden Männern wie Kramberg, war vielmehr von ungeschlachter Virilität. Der Scheich, der uns allen Spitznamen gab, hatte ihn den »Neger« getauft. Zuweilen nannte er ihn auch den »Tierischen« in Anbetracht der starken Witterung, die ihn umgab.
Das wirkte; die kriminelle Note kam hinzu. Die große Nase,
die starken Lippen, das grobe Kinn und dann der Glanz
der Augen - es blieb ein Rätsel, wie das in ein Pastorenhaus gekommen war. Er
hätte darauf einen Beruf gründen können wie mancher Filmschauspieler
oder besser noch wie die Figuren, die sie darstellen. Einmal hörte ich von einem
der grellen Mädchen, das er auf diese Weise angehakt und in ein Gespräch verwickelt
hatte: »Da muß einfach ein Bett her«. - Ernst Jünger, Annäherungen. Drogen und Rausch. Frankfurt am Main u.a.
1980 (zuerst 1970)
Pastorensohn (5) Ich bin der Sohn eines protestantischen
Pfarrers. Ich wuchs in einem ganz kleinen Städtchen
auf. Wir waren vielleicht achthundert Seelen. Jedes kannte das Andere; fast
bis auf die Gedanken. Von früh auf leitete mein Vater selbst meine Erziehung.
Ich mußte Lateinisch lernen, wogegen sich mein Kopf, wie gegen ein exotisches
Gift, sträubte. Die sicherste und intensivste Erinnerung, die ich aus dieser
Zeit habe, ist ein gewisser Zustand, eine Disposition meines Kopfes, eine Art
psychischer Anfall, der mich jedesmal in der Kirche überraschte. Mein Vater
predigte ganz anders, als er zu Hause sprach. Auf der Kanzel hatte er eine plärrende,
heulende Redeweise. Zu Haus war er knapp, bestimmt, coramisirend. So befand
ich mich in der Kirche einer ganz anderen Persönlichkeit gegenüber. Und die
Wirkung war eine ganz neue. Kaum hatte die Gemeinde mit ihrem Rock-Geräusch
sich auf die Bänke niedergelassen, und das geistliche Geheul meines Vaters erfüllte
widerprallend mit doppeltem und dreifachem Echo das kleine Gottes-Haus, so war
meine Seele entflohen. Und auf mir nur zu bekanntem Weg, und immer auf demselben,
lief sie fort, und trieb sich umher, und suchte etwas, und lief auf die Dörfer
in der Umgebung, und wollte überall eindringen, in die Häuser, durch die Fenster
der Menschen, in die Schränke, ja sogar in die Menschenleiber, und wollte überall
horchen, und suchen, und spähen, ohne zu wissen, was; das Schluß-»A-män!« -
und meine Seele kehrte wie der Geier
zurück, ich erwachte; vor mir lag das Gesangbuch mit seinen schwarzen Lettern;
am Altar waren die Kerzen tief herabgebrannt; mein Vater wischte sich den Schweiß
von der rothen Stirn; die Leute rutschten feierlich und ergriffen; und auf dem
Chor begann die Orgel ein leises Smorzando-Spiel. - Oskar Panizza,
Der Corsetten-Fritz. In: Ders., Der Korsettenfritz. Geschichten. München 1981
(zuerst ca. 1905)
Pastorensohn (6)
Pastorensohn (7) Sein Sohn kam herein mit dem Hasen in den Armen. Der magere Junge im roten Mantel war ein Fleisch aus der Vergangenheit. Die Haut der unbeerdigten Toten war an seine Knochen geflickt, das Lächeln des Wechselbalgs lag auf seinen Lippen, und das Meereswasser stieg ihm aus den Haaren: so stand er vor Rhys Rhys, ein Geist seiner Mutter. Er hielt den Hasen sanft an seine Brust und schaukelte ihn hin und her. Listig sah er durch halbgeschlossene Augenlider seinen Vater vor der Vision des Todes zurückweichen. Mach daß du fortkommst, sagte Rhys Rhys. Wer war dieser grüne Fremdling, daß er den Tod hereintragen und ihn wie einen Säugling in einer warmen Felldecke vor seinen Augen wiegen durfte? Eine Minute lang lag das Fletsch der Welt reglos; das alte Grauen überfiel ihn; die Wasser seiner Brust trockneten aus; die Brustwarzen wuchsen durch den Sand. Dann fuhr er mit der Hand über die Augen, und es blieb nur der Hase, ein kleiner, halb leerer Sack Fleisch, der in den Armen seines Sohnes schaukelte. Mach dich fort, sagte er. Der Junge drückte den Hasen an sich und wiegte ihn und kitzelte ihn wieder.
Wechselbalg, sagte Rhys Rhys. Er gehört
mir, sagte der Junge, ich werd ihn häuten und den Schädel behalten. Sein Zimmer
unter dem Dach war vollgestopft mit Schädeln und getrockneten Häuten und kleinen
Knochen in Flaschen. - (echo)
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