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- Namio Harukawa

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Passform (3)  «Hier im Gutachten steht, daß der Tote nicht notwendigerweise in der Nähe des Kanals umgebracht worden sein muß, daß ihn der Mörder vielleicht erst hinterher dort hingeschafft hat...»

«Na und?»

«Man könnte ja mal überlegen, wie er das wohl gemacht hat», gab Lewis zu bedenken. — «Vielleicht in einem Auto», sagte Morse leichthin.

«Genau, Sir!» Lewis strahlte. «Und wenn der Körper zu groß war und der Mörder Schwierigkeiten hatte, ihn in den Kofferraum zu bekommen...»

«Dann hat er eben alles, was überstand, abgeschnitten», sagte Morse roh. «Sehr praktisch!»

«Ich finde, das wäre eine gute Erklärung», sagte Lewis befriedigt. «Gespenster tragen ja auch oft den Kopf unterm Arm.»

«Unser Kopf ist aber verschwunden.»

«Der liegt bestimmt noch im Kanal.»

«Dann hätten ihn die Froschmänner finden müssen», wandte Morse ein.

«So ein Kopf ist ganz schon schwer, wahrscheinlich steckt er tief im Schlamm.» So leicht ließ Lewis sich nicht von seiner Meinung abbringen.

«Und was ist mit seinen Händen? Ruhen die, fromm gefaltet, auch im Schlamm, vielleicht gleich neben dem Kopf?»

«Sie glauben wohl nicht, daß wir sie noch irgendwann finden, oder?»

Morse wurde des Themas allmählich überdrüssig. «Ob wir sie finden oder nicht, ist mir, ehrlich gesagt, völlig gleichgültig, wenn ich nur irgendwann herausbekomme, warum der Mörder es überhaupt für nötig gehalten hat, sie abzutrennen.»

«Aber das ist doch ganz klar, Sir. Aus dem gleichen Grund, aus dem er auch den Kopf abgetrennt hat», sagte Lewis eifrig, «weil man ihn sonst vielleicht an seinen Händen hätte erkennen können. Es ist doch möglich, daß er eine Tätowierung hatte. Es soll Leute geben, die sich den Handrücken oder die Finger tätowieren lassen...»

Morse saß auf einmal ganz still. Er wußte instinktiv, daß das, was Lewis' da eben gesagt hatte, von Wichtigkeit war, vielleicht von entscheidender Wichtigkeit. Sein Verstand arbeitete auf Hochtouren, raste davon wie ein Skifahrer, der einen Abhang hinunterschießt, über einer Bodenwelle abhebt und wenige Meter dahinter unversehrt im jungfräulichen Schnee landet.

Lewis' Stimme drang an sein Ohr wie aus weiter Entfernung: «Und dann müssen wir natürlich auch noch überlegen, warum der Mörder die Beine abgetrennt hat, Sir.»

«Sie meinen. Sie können auch dafür einen Grund nennen?» sagte Morse, einigermaßen erschüttert über die plötzliche intellektuelle Kreativität des Sergeant.

«Ja», sagte Lewis ruhig, «ich denke schon. Es ist doch so, daß heutzutage jedes Kind weiß, daß die Burschen im Labor die Möglichkeit haben, an Hand von Kleidungsstücken zu allerhand Schlußfolgerungen zu kommen...»

Morse runzelte die Stirn. «Ich weiß, ehrlich gesagt, im Moment nicht genau, worauf Sie hinauswollen, Lewis.»

«Na, ganz einfach. Jedermann weiß also, daß Kleidungsstücke verräterisch sind. Wenn wir davon ausgehen, daß der Mörder dem Toten Kopf und Hände abgetrennt hat, um dessen Identität zu verbergen, dann wird er bestimmt nicht die Dummheit begangen haben, ihm seinen eigenen Anzug anzulassen...» Morse nickte. «Er wird ihm also vermutlich einen seiner eigenen Anzüge angezogen haben. Was das Jackett angeht, dürfte er damit ja auch weiter keine Schwierigkeiten gehabt haben. Bei Jacketts fallen Größenunterschiede nicht so ins Gewicht. Ich könnte zum Beispiel ohne weiteres Ihres anziehen, Sir, auch wenn Sie um die Taille herum etwas voller sind als ich; irgendwie würde das schon gehen. Aber», hier legte Lewis eine dramatische Pause ein, «mit Hosen sieht es schon anders aus. Fremde Hosen sind meistens entweder zu lang oder zu kurz. Wenn der Mörder also seinem Opfer einen von seinen Anzügen angezogen hat, so mußte er befürchten, daß wir ihm auf Grund der Hose auf die Schliche kommen würden. Und aus diesem Grund», schloß er triumphierend, «hat er seinem Opfer die Beine abgeschnitten. Dadurch fällt eine zu kurze oder zu lange Hose gar nicht mehr auf, und niemand schöpft Verdacht, daß der Tote einen anderen als den eigenen Anzug trägt.»  - Colin Dexter, Das Rätsel der dritten Meile. Reinbek bei Hamburg 1988

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