Party-Kehraus    Plötzlich, während ihn Vlc beobachtete, taumelte Ralph rückwärts, als hätte ihn eine unsichtbare Kraft gestoßen, und setzte sich schwer aufs Sofa zurück. Sein Gesicht glänzte vor Schweiß. Melinda zog ihn an sich, legte den Arm um seine Schulter und begann, seine Schläfen zu massieren; Ralphs Körper war völlig erschlafft, nur der Mund war noch entschlossen zusammengepreßt, und er hielt den Blick bohrend auf Vic gerichtet, als versuche er, sich dadurch bei Bewußtsein zu halten, daß er einfach auf etwas Bestimmtes starrte.

Vic lächelte Melinda an. »Vielleicht sollte ich die Rühreier doch machen. Er scheint's gebrauchen zu können.«

»Er ist vollkommen in Ordnung«, erklärte Melinda trotzig.

Vic ging, einen gregorianischen Gesang vor sich hinsummend, in die Küche und setzte Kaffeewasser auf. Er hielt die Whiskyflasche hoch und stellte fest, daß Ralph sie fast ausgetrunken hatte. Er ging ins Wohnzimmer zurück. »Wie möchten Sie Ihre Eier, Ralph - außer jongliert?«

»"Wie möchtest du deine Eier, Darling?« fragte Melinda.

»Ach bloß - bloß jongliert«, murmelte Ralph.

»Einmal jonglierte Eier«, wiederholte Vic. »Und du, Pussy?«

»Sag nicht immer Pussy zu mir!«

Es war ein alter Kosename; Vic hatte ihn jahrelang nicht benutzt. Melindas Augen unter den dichten blonden Brauen starrten ihn feindselig an. Nein, sie war nicht mehr die

kleine Pussy von damals, aus den ersten Tagen ihrer Ehe, oder auch von vorhin, vor ein paar Stunden. Der Lippenstift war verschmiert und die Spitze der langen, leicht nach oben gebogenen Nase glänzte rot, als sei etwas Farbe auch dorthin geraten. »Wie willst du also deine Eier?« fragte er.

»Ich will gar keine.«

Er verrührte vier Eier mit Sahne für sich und Melinda. Ralph war sowieso nicht in der Lage, etwas zu essen. Aber er machte nur ein Stück Toast, weil er wußte, daß Melinda jetzt keinen Toast essen würde. Er wartete auch nicht, bis der Kaffee ganz durchgelaufen war; Melinda würde jetzt doch keinen trinken. Er und Ralph konnten ja später Kaffee trinken. Er brachte die Rühreier, mit Salz und Pfeffer bestreut, auf zwei vorgewärmten Tellern ins Wohnzimmer. Melinda lehnte ab, aber er setzte sich neben sie aufs Sofa und fütterte sie mit kleinen Bissen. Jedesmal, wenn die Gabel hochkam, öffnete sie folgsam den Mund. Ihre Augen waren die ganze Zeit starr auf ihn gerichtet; es war der Blick eines wilden Tieres, das dem Menschen gerade genug traut, um das Futter auf eine Entfernung von Armeslänge hinzunehmen, und das nur, wenn jede Bewegung des Fütternden langsam und sanft ist. Mr. Gosdens rotblonder Kopf lag jetzt in ihrem Schoß. Er schnarchte mit offenem Mund. Er war kein besonders hübscher Anblick.

Beim letzten Bissen wandte Melinda den Kopf ab; das hatte er gewußt. »Na komm - der letzte«, sagte Vic. Sie aß ihn.

»Ich denke, Mr. Gosden bleibt besser hier«, meinte Vic. Zu was anderem war Mr. Gosden ohnehin nicht in der Lage.

»Klar bleibt er.« Melinda sprach nicht mehr sehr deutlich.

»Schon, dann legen wir ihn richtig hin.«

Melinda erhob sich, um ihn allein auf der Couch zurechtzurücken, aber in ihrem Zustand waren seine Schultern zu schwer für sie. Vic mußte eingreifen.

»Schuhe ausziehen?« fragte er.

»Laß die Fin ... die Finger weg!« Melinda beugte sich unsicher über Ralph und fing an, seine Schuhbänder zu lösen.

Ralphs Schultern fingen an zu zittern; seine Zähne klapperten leise.

»Er friert. Ich hole lieber eine Decke.«

»Nein, ich hol sie . . .« Melinda taumelte davon, wollte offenbar in ihr Zimmer, vergaß jedoch ihre Absicht und verschwand im Bad.   - Patricia Highsmith, Tiefe Wasser. Zürich 1976 (zuerst 1957)

Party Schluß

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