aranoia, weibliche  Da war ein gewisser Panzieri, den kannte sie schon von Kindesbeinen an, denn er belästigte sie immer mit seinen widerlichen Anträgen, die er jedoch immer aus großer Entfernung machte, damit sie es nicht hörte; aber sie hörte ihn keuchen, wenn er in die Nähe kam, wie einer, der so tut, als hätte er Asthma. Um sich zu rächen und abzureagieren, hatte er sich ein Spitzbärtchen wachsen lassen und, wenn er bei ihr vorbeiging, trug er es wie ein Häkchen aufwärts gekrümmt. Insbesondere einmal war es geschehen, als sie am Fenster saß und nähte. Sie hörte unten auf der Straße jemanden gehen und schaute. Es war Panzieri mit seinem Spitzbärtchen, der von rechts kam, und das Bärtchen war wie gewöhnlich zugespitzt und aufwärts gekrümmt, um sie zu foppen. Er stolzierte wie ein Pfau und stellte sein Bärtchen zur Schau, womit er sagen wollte: gestrandete Nutte, das hieß, sie sei als Nutte ein Versager, weil den Männern bei ihr vor Langeweile der Bart wuchs. Genau unter ihrem Fenster, vor ihren Augen nämlich blieb er bei Paterlini stehen, der von der anderen Seite herkam, und sie gaben sich die Hand. Dieses Zusammenfügen ihre Hände sollte einen ganzen Satz mit Verb darstellen, der lautete: Die gestrandeten Nutten sind Schiffe oder Fregatten aus Fett. Worauf sie durch die Ritzen der Fensterläden Wörter hinunterschrie, die heißen sollten, sie habe jetzt genug, das heißt, sie schrie: Ihr Sitzenbleiber und Seifensieder (weil sie nicht originell waren und vor Wut kochten). Das waren Worte, die sie im Innersten treffen mußten, es war nicht irgendeine Beschimpfung. Die beiden gaben sich aber wieder die Hand, um aufs neue den Satz mit dem Verb an sie zu richten, das heißt, um ihr das mit der gestrandeten Nutte und der fetten Fregatte noch einmal zu sagen; und sie rief dann aufs neue einige Worte hinunter, um sie diesmal noch tiefer zu treffen; sie schrie: Ihr seid archaisch — das heißt so vollgestopft mit Blödsinn wie die Arche Noah voll Tiere. Daran sah man, daß sie ein Hirn im Kopf hatte, während sich die beiden da unten aushaken ließen. Sie gingen nämlich auf der Stelle weg. Paterlini ein wenig langsamer, weil er die Beine wie ein Ruderer bewegte, und Panzieri, indem er über sein Bärtchen strich, wie man es im Bordell macht.

Die Männer interessieren sich sehr für sie; sie hatten sich schon immer für sie interessiert, und daher haben sie jetzt einmütig nur im Sinne, sie zu beleidigen und Nutte zu sagen oder feiste Nutte. Es gibt zum Beispiel eine Gruppe, die geht nur vorbei, um ihr zu sagen, daß sie dick ist. Durch Zeichen sagen sie ihr, daß sie nichts essen darf, weil sie sonst platzt, oder sie sagen ihr durch ein Zeichen, daß sie ein aufgeplatztes Faß ist, wobei sie auf das Hinterteil zeigen. Sie machen sich in großer Zahl auf, um ihr das zu sagen; das sieht sie von ihrem Fenster aus, wo sie immer sitzt und auf den Platz hinunterspäht, während sie näht oder Perlen einfädelt. Diese Arbeit macht sie für eine Firma, die Konfektionsfirma Deanna. Aber andere gehen wiederum vorbei, um ihr zu sagen, daß sie schlank ist. Anfangs glaubte sie, sie wären ihr freundlich gesinnt und kämen eigens, um den anderen zu widersprechen. Dann sah sie, sie sagten schlank auf eine Weise, daß es eigentlich dick hieß. Einer von ihnen trug beispielsweise ein dürres Bambusrohr, aber eines Tages merkte sie, daß er mit dem Kopf eine Bewegung machte, die hieß nein, du bist nicht dürr. Dann schlug er mit dem Rohr an eine Blechschachtel und gab ihr einen Fußtritt, um zu sagen: Die alten Schachteln enden im Abfall, du häßliche verseuchte Kuh — verseucht, weil man von verrostetem Blech den Wundstarrkrampf bekommt, und häßliche Kuh, weil in der Blechschachtel noch ein paar Krümel verdorbenes Rindfleisch waren. Die Typen glauben, sie versteht das nicht, aber sie hat ein sehr feines Hirn, das versteht alles, viel mehr, als die Typen verstehen. - (cav)

 

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