aranoia, schöpferische    «Du bist ein Paranoia-Neuling, Roger», es ist das erste Mal, daß ihn Prentice duzt, und das berührt Roger immerhin genug, um ihn seinen Sermon unterbrechen zu lassen. «Natürlich ist ein gutentwickeltes siE-System unerläßlich - aber das ist nur die eine Seite der Medaille. Denn für jedes SIE sollte es auch ein WIR geben. In unserm Falle gibt's eins. Schöpferische Paranoia bedeutet, ein WiR-System aufzubauen, das mindestens ebenso entwickelt ist wie das SiE-System -»

«Moment mal, nicht so schnell. Zuerst: wo ist der Haig and Haig, sei ein anständiger Gastgeber, und zum zweiten: Was ist ein SiE-System? Schließlich schmeiß ich dir ja auch keine Tschebyschowsche Ungleichung an den Kopf, nicht wahr?»

«Ich meine das, was SIE und IHRE angeheuerten Psychiater ‹Wahnsysteme› nennen. Überflüssig zu betonen, daß ‹Wahn› immer von oben definiert wird. Wir brauchen uns nicht mit den Fragen von wirklich oder unwirklich herumzuschlagen. Damit operieren SIE nur aus Berechnung. Es ist das System, auf das es ankommt. Wie sich die Daten innerhalb des Systems vernetzen. Manche Systeme sind konsistent, andere fallen auseinander. Dein Gedanke, daß Gloaming von Pointsman geschickt worden sei, geht über eine falsche Weiche. Ohne ein entgegengesetztes System von Wahnideen - Wahnideen über uns selber, die ich das WiR-System nenne - hätte dein Gloaming-Verdacht durchaus stimmen können.»

«Wahnideen über uns selber?»

«Keine wirklichen.»

«Aber von oben definiert?»

«Aus Gründen der Zweckmäßigkeit, ja.»

»Aber-dann spielst du doch IHR Spiel?»

«Laß dich davon nicht beunruhigen. Du wirst merken, daß es sich damit ganz gut umgehen laßt. Solange wir noch nicht gewonnen haben, ist das wirklich kein brennendes Problem.»   - Thomas Pynchon, Die Enden der Parabel. Reinbek bei Hamburg 1981