apstgeburt   Im selben Maße, wie die Pyramide zusammenschrumpfte, nahm die Flamme an Helligkeit und Größe zu, und die Pariser, eingeschlossen in ihren Behausungen, die im gewaltigen Lichtschein dieser brennenden Pyramide zwergenhaft klein wurden, beteten dumm vor sich hin und warteten auf das Ende der Welt.

Nur eine Frau, von der Helligkeit des Lichtes angelockt, war aus Marseille herbeigeeilt, weil sie hoffte, ein unvergeßliches Schauspiel zu erleben. Sie erreichte gerade noch rechtzeitig den Kirchplatz von Notre-Dame, um zu sehen, wie die Flamme senkrecht aufloderte und Pius VII. gebar, der kahlköpfig geworden war und einen Spitzbart trug.

Der Papst trat aus der Flamme hervor und lief zur Bäckerin, die er gegen ihren Willen kreuz und quer durch die Pariser Straßen schleppte. Sie rannten so schnell, wie es ihnen die tausend Fallen erlaubten, die vor ihnen ausgelegt waren: aufgespannte Regenschirme, Zylinderhüte, Gras-Gewehre, Postkartenalben, gallo-romanische Ruinen, Fahrrad rahmen, Straußenvogelgerippe, Dinosauriereier usw. usf. Bei diesem Tempo hätten sie eigentlich in einigen Minuten die Erde umkreisen müssen; deshalb waren sie baß erstaunt, daß sie bei Tagesanbruch vor dem Portalvorbau des Senats standen. Dahinter steckte sicher ein Geheimnis.   

Sie erhöhten ihr Tempo und waren noch vor Mitlag in Vanves. Dort aber verirrten sie sich, weil sie die Gegend nicht kannten, und statt zur Abenddämmerung in den Canyons von Colorado zu sein, irrten sie zwischen Sandhügeln umher, die mit von der Sonne ausgedörrten Feigenbäumen bestanden waren. Im Süden erblickten sie am Horizont etwas Saumartiges, das sich schwarz vom azurblauen Himmel abhob; sie schlössen daraus, dort müsse das Durstland liegen, der Tanezrouft, und verzweifelt warfen sie sich in den Sand und murmelten:

„Wir sind verloren, wir sind mitten in der Sahara." - Benjamin Péret, Die Schande der Dichter. Prosa, Lyrik, Briefe. Hamburg 1985 (edition nautilus)