Papst, lamaistischer  Das ungeheure Aufgebot, das den lamaischen Papst begleitete, rückte schwerfällig vor. Baumlose Steppen nahmen kein Ende. Auf dem harten Boden standen Dornensträuche, kümmerliche Kiefern und Fichten. Kalte Luft wehte. In kostbarer geschnitzter und bemalter Sänfte mit gelben Seidenvorhängen trugen vier Mönche den Heiligen, der mit untergeschlagenen Beinen reglos auf dem roten Polster hockte mit bloßem kahlgeschorenem Kopf. Seine Ohren waren groß, lang ausgezogen; er trug ein schwarzes blaubesticktes Seidenkleid mit weiten Pelzärmeln. Blätter aus dem Kandschur vor ihm. Im Gewimmel um ihn die Lehrlinge, die Geweihten, Doktoren, Magier, Mediziner, die ausgewählt waren. Der Zug vergrößerte sich im Vorrücken; Gelehrte der Mongolei und aus Indien schlossen sich an.

Die ganze finstere Heiligkeit der Tempel begleitete den Lama. Priester schwangen auf den Wegen, die sonst Karawanen mit Ziegeltee und Seidenballen zogen, die furchtbaren Handtrommeln: zwei Menschenschädel, mit den Scheiteln aneinander-geschlossen und fellüberspannt.

In der Sänfte des Papstes zu seiner Rechten eine herrliche Schädelschale in Gold gefaßt mit gebuckeltem Golddeckel; sie ruhte auf eüieni dreieckigen Untersatz aus schwarzem Marmor; an den drei Ecken stützten die gelbweiße Schale kleine steinerne Menschenköpfe in Rot, Blau und Schwarz. Von Zeit zu Zeit, wenn man zur Andacht haltmachte, bliesen die Trompeten aus Menschenknochen; in einem Bronzeansatz mit weiten Nüstern endeten sie; ihr Tönen erinnerte an das Wiehern jenes Pferdes, das die Geister in die Freudenhimmel trägt. Vor den wandernden Doktoren, die in spitzen, gelben Filzhüten gingen, auf deren Rückseite flauschige Kämme in die Nacken liefen, zogen riesige Jaks die ungeheuren und beispiellos kunstvollen Gebetsmühlen auf Karren.

Einheimische Tunguten in kleiner Zahl, dazu fünfzehnhundert kaiserliche Soldaten deckten den Zug. Nordöstlich schob man sich vor, an dem blauen See vorbei, dem Tsomawang, auf dessen Grund der Gott in einem Türkiszelt haust. Ungeheuer ragte der Eisgipfel des heiligen Kailasberges herüber. Nach vielen Tagereisen kam man auf die Schneefelder und Berge, die zum Kukunor führen. Jetzt setzten die gefürchteten Nordstürme ein. Der heilige Zug, sich in Täler senkend, über Bergrücken windend, begegnete auf allen Wegen den Spuren des weißen Todes, Tierleichen, Menschengebeinen. Hier waren auf jedem Paß bittende Fähnchen, Knochen hingelegt für die furchtbaren Götter.

Und die furchtbaren Götter gaben auch den gnadenvollen Wanderern von Taschi-Lunpo das Geleite. Jamantaka, das grausigste der Göttergespenster, schrie gefräßig im Sturm über die grenzenlose Einsamkeit der Wege und fiel die Jaks, die Maulesel und Menschen an, er mit dem Stierkopf und der Pyramide von neun Köpfen, sechzehn Beinen, vierunddreißig Armen. Aus den schwingenden Armen sausten die eisernen Speere, er zerfleischte die Menschenkörper, fraß ihre Herzen, soff ihr Blut, er, der das Entsetzen verbreitete aus seiner Feste, die er durch sechzehn Tore verlassen konnte. Den Geweihten und Heiligen vermochte er nichts anzutun; die Dragsed, höllische Weiber, kämpften gegen ihn, von den Magiern beschworen.  - Alfred Döblin, Die drei Sprünge des Wang-lun. München 1980 (zuerst 1915)

 

Papst Buddhismus

 

  Oberbegriffe
zurück 

.. im Thesaurus ...

weiter im Text 
Unterbegriffe

 

Verwandte Begriffe
Synonyme