Papst, kichernder   Es kam einmal die Frage der indianischen Ehe aufs Tapet. Vom General der Kompagnie wurde der Pater Juan de Lugo, der am römischen Kolleg lehrte, beauftragt, den Papst um eine Entscheidung anzugehen. Juan de Lugo, ein eisiger, sachlicher Mann, trug dem Papst den Fall vor, den der Pontifex, äußerlich ernst, aufmerksam anhörte. Zum Schutz gegen Juan de Lugo, der aus dem furchtbaren Geschlecht der Unerbittlichen und Allwissenden war, hatte der Papst zwei jüngere Kardinäle hinzugezogen, deren Kenntnisse unbedeutend waren; dafür hatte er sie ernannt. Von den indianischen Guarani war die Rede, diese Guarani im Neuen Indien hatten Eheschwierigkeiten, wenn sie in die Reduktionen kamen und Christen wurden. Ohne Spur eines Lächelns, zum verächtlichen Staunen des weltmännischen Papstes meldete der Professor Lugo, die Guarani pflegten sich nicht mit einer Frau zu begnügen; die Väter am Parana meinten, sie müßten sich für eine entscheiden, und zwar solle es die sein, die sie zuerst geheiratet hatten. «Das scheint nun eine einfache Sache, ist es aber nicht. Denn da fängt erst die Schwierigkeit an. Diese Indianer betrachten nämlich ihre Frauen als Dienerinnen, ja als Sklavinnen, und wenn sie sie nicht mehr mögen, schicken sie sie weg. Sie halten sich mehrere, manche haben greulicherweise zugleich Mutter und Tochter zur Frau. Und von der schamlosen Auffassung dieser Menschen zeugt gar, wie sie mit ihren Frauen umgehen; sie verschenken sie an Freunde, auch an Gäste oder, wenn sie Häuptlinge sind, zur Belohnung an Vasallen.» Der Papst blickte seine jungen, prächtigen Kardinale an: «Und das sind die berühmten Indianer, die die Väter von der Jesukom-pagnie in ihren Reduktionen halten?» Der Professor verstand nicht das Behagen, mit dem der Pontifex sich äußerte. Er erklärte bitterernst: «Die Frauen, die sie verschenkt oder weggeschickt haben, nehmen sie unter Umständen wieder als Frauen auf und leben von neuem mit ihnen. Sie nehmen sie auf Wanderungen, Kriegszügen mit; nach Belieben lassen sie sie aber an irgendeinem Ort zurück.» «Kurios», meinte der Pontifex, «und die Frauen protestieren nicht dagegen? Man müßte einmal wissen, was das für eine Art Frauen ist.» Der Professor antwortete nicht, er sah scharf vom Papst zu den beiden Kardinalen, die sich vor seinen schrecklichen Augen fürchteten, es kam nicht darauf an, ob die Frauen mit ihrem Los zufrieden waren, sondern ob es eine Ehe war. Der Pontifex legte die schweren weichen Hände ineinander: «Welche Fragen also legen uns die frommen Vater der Jesu-kompagnie in den Reduktionen vor?» Pater Jüan de Lugo übergab dem Sekretär des Pontifex ein Schriftstück und sagte mit einer Handbewegung darauf: «Die Väter bitten den Heiligen Stuhl um eine maßgebliche Äußerung, wie man sich bei den genannten Schwierigkeiten zu verhalten habe, welehe Frau als erste anzusehen sei, die dann als rechtmäßige zu gelten habe. Es ist zu berücksichtigen, daß diese erste Frau auch die erste eines ändern sein kann, entweder vorher oder nachher. Es ist weiter zu berücksichtigen, daß ein Indianer oft gar nicht mehr diese Frau kennt, daß sie in Frieden mit einem ändern lebt und daß der Indianer sie nicht mehr zurücknehmen will.» Der Papst staunte ehrlich, es war ein Schuß Unwillen dabei. Der strenge Professor beendete seine Darlegungen: «Die Väter in den Missionen erklären auch, es käme oft vor, daß Indianer, von denen man verlange, sie sollten ihre erste Frau zurücknehmen, wieder ungläubig würden.» «Aha», der Pontifex atmete auf, «das gibt es also doch.» Und er suchte, da der lange dürre Herr weiter nichts vorbrachte, noch eine kleine allgemeine Unterhaltung zwischen dem Professor und seinen jungen Kardinalen in die Wege zu leiten. Aber das gelang nicht, es bestand beiderseits Eiseskühle, und man räusperte sich nur. Der Papst nickte dann nachdenklich dem gelehrten Mann zu, der zum Handkuß nahte. Die Jesuiten sind gute Leute; man soll sie in ihrer verdienstvollen und kuriosen Arbeit nicht stören. Freundliche, ja herzliche Worte gab er seinem Besucher mit. Seine Antwort nach einigen Monaten befriedigte die römischen Jesuitenkreise sehr, auch am Parana gefiel sie. Sie lautete: Die Schwierigkeiten seien groß; jeder Priester, der den Spuren der Apostel folgend sich der Missionsarbeit in den Reduktionen widme, solle den Umständen gemäß handeln, die Kirche setze ihr Vertrauen auf sie. «Verfahrt mit der größten Delikatesse, ihr meine treuen Söhne, gefährdet das Heil der Indianer nicht.» Sie hörten aus dem Votum das vergnügte Kichern des Papstes nicht.     - Alfred Döblin, Amazonas. Romantrilogie. München 1991 (entst. 1935-37)
 
 

Papst Kichern

 

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