apst,
häretischer Johannes XXII. entging selbst nur knapp dem
Ketzerverdikt. Im Vertrauen auf seine theologische
Versiertheit wagte er sich 1331 in einer Predigt auf sensibles Gelände - die
Topographie des Jenseits. Nach herkömmlicher Auffassung
seiner Zeit konnten Verstorbene, wenn sie ihre Strafen im Fegefeuer erduldet
hatten oder durch Ablaß freigekauft worden waren, sogleich in die ewige Seligkeit
gelangen. Joahnnes war aber durch die Lektüre des Augustinus
zu der Auffassung gelangt, daß die »visio beatifica« - die Schau Gottes - erst
nach dem allgemeinen Weltgericht stattfinden könne. Ein Aufschrei ging durch
die Welt der Gottesgelehrten. Mit dieser Lehre war das ganze System des Sündenablasses
bedroht. Die Universität von Paris, Ordensgenerale, der Kardinal Napoleon Orsini
warfen dem Papst Häresie vor, man forderte gar ein Konzil, um »den Ketzer Jakob
von Gabors« zu verdammen. Der König von Frankreich erklärte sich bereit, ihn
zu verbrennen. Johannes, der fast neunzig Jahre alt war, wurde todkrank. Am
Sterbebett widerrief er vor dem versammelten Kardinalskollegium seine Meinung
und gab die Frage dem Urteil der Kirche anheim. -
Albert Christian Sellner, Immerwährender Päpstekalender. Frankfurt am Main
2006 (Die Andere Bibliothek 260)
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