anizza, Oskar    Ausländische Detektivs treiben heute ihr Spiel mit mir. Der bequemlose Hugenott soll durch raffinierte, auf peinlichste Verletzung des Nervensystems berechnete Pfeifereien beschädigt werden. Nachts erschweren hierorts Belästigungen durch weittragende Pfeifen und Flöten metallischen Charakters eine kleinweise erfolgende Zermürbung. Der bayerische König und die Kurie stecken dahinter. Die gedungenen Schnüffler haben ihre Nasen bereits tief in mein Inneres gesteckt. So ist die Lage heute nun einmal.

Noch ist erinnerlich, wie Oskar in blankem Zustand durch Münchens abendliche Straßen lief, so daß der nackte Coup gelang. Ergriffen und in ein nächstes Haus geführt, gab er dem herbeieilenden Hauptmeister der ortsansässigen Gendarmerie einen fälschlichen Namen namens Ludwig Fromann, Stenograph seines Zeichens aus Würzburg, auf das Protokoll. Die Transportation durch einen von eben demselben Organ daselbst requirierten Käfig in die Station links der Isar war eine Sache der Geschwindigkeit.

Man hat mich rundum bescheinigt, damit die Personaille herauskommt. Meine Herkunft stand in Frage. Selbst meine Großeltern kamen ins Gerede. Ich versprach, nach Würzburg zu stenographieren, indessen ich des Stenogramms gar nicht befähigt bin, wodurch die Konfusion eine umfassende wurde. Ein bequemloser Hugenott steckt in mir bis ans Ende seiner Tage! Mir wurde bedeutet, daß ich mir vor Jahren manchmal das Liebeskonzil erlaubte. Auch die Majestät des bayerischen Königs wurde mir angelastet. Nicht ohne Hitzigkeit warf ich an dieser Stelle mein Gefängnis ein.

Sobald ihm das bewußte Kleid auf den Leib geschneidert wird, sagte der Obere, kann der Staat zuversichtlich sein, daß Oskar wieder die Gerade erreicht. Er muß eingebogen werden. Er hat zuviel gehaßt, sagte der Obere, jetzt wird er allmählich zum Liebling gemacht. Oskar aber kennt bereits eure raffinierten, auf peinlichste Verletzung des Nervensystems berechneten Pfeifereien. Er braucht Ruhe. Nehmt ihm endlich den beschränkenden Schnürleib ab!

Auch versäumte ich nicht, den Oberen mit dem Ausdruck »Nachgeburt der Hölle« auszustatten. Er sagte, es sei ihm zu meinem Unglück unmöglich, sich deshalb geschmeichelt zu fühlen. Ich gebrauchte viele und auch noch andere Wörter. Alles, was mir in meinem Leben widerfahren war, nahm ich in diesem Augenblick wörtlich. Dir hängt der Hugenott heraus, entdreistete sich der Vorsitzende. Gewisse Ärzte oder arztähnliche Personen, welche sich in weißen Gewändern befanden und um mich herum standen, blickten mich mit ihren Augen an. Da dieser Anblick überwältigend war, eröffnete ich das Weinen. Plötzlich schoß mir auch meine teure Mutter ins Gemüt. Sie sagte, mein armer armer Oskar. Ich konnte mich nicht halten, weil ich keine Wurzeln besaß. Ich beschämte mich immer, wenn mich das Sorgenkind übermannte.

Der Vorsteher forderte die Umstehenden auf, die Komödie zu beenden. Sie hatten die Zeit bereits verschwendet. Nun mußte alles seinen Lauf nehmen. Oskars Schicksal, sagte der Obere, hat seine Richtigkeit und geht soweit in Ordnung. Der Obere hat Oskar schon vor Jahren kommen sehen, weil der Papst kein Hampelmann ist. Und auch der Alkohol tut jedem das seine. Viele Hugenotten leiden an der Vererbung. Das kommt vielleicht noch dazu. In seinem Haus ist aber schon mancher katholisch geworden. Selbst Nietzsche war ja zum Schluß in seiner evangelischen Art ganz manierlich. Oskar kann katholisch gemacht werden, sagte der Vorsteher, wenn man ihm die Waden nach vorne richtet. Der Vorsteher versprach Oskar zu zeigen, wo Bartholomäus den Most holt. -  Alois Brandstetter, Überwindung der Blitzangst. München 1974 (dtv sr 27, zuerst 1971)

Philosoph Poet

 

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