Ortsbestimmung    Ein Schwarm von Chrysippus-Schmetterlingen, abwechselnd braun im Schatten und golden in der Sonne, fliegt um das Pan Am Building herum, fliegt von der Mercury-Statue zur Grand Central Station hinunter und weiter Downtown in Richtung Karibik.

Im Verlauf meiner Lektüre über die Migration von Tieren habe ich einiges über die Wanderungen von Kabeljau, Aal, Hering, Sardine und über den selbstmörderischen Exodus der Lemminge gelernt.

Ich habe das Für und Wider der Existenz eines »sechsten Sinns« - eines magnetischen Orientierungssinns - im zentralen Nervensystem des Menschen erwogen. Ich sah den Zug der Wüdebeest in der Serengeti. Ich las von Vögeln, die ihre Reisen von den Eltern »lernen«, und von dem flügge gewordenen Kuckuck, der seine Eltern nie gekannt hat und den Wandertrieb darum in seinen Genen gehabt haben muß.

Voraussetzung für alle Tiermigrationen waren Verschiebungen von Klimazonen, im Falle der Grünen Schildkröte war es die Kontinentalverschiebung.

Es gibt Theorien, denen zufolge Vögel ihre Position nach dem Stand der Sonne, nach den Phasen des Mondes oder dem Auf- und Untergehen von Sternen bestimmen und ihre Flugrichtung korrigieren, wenn sie bei einem Sturm vom Weg abgetrieben werden. Einige Enten und Gänse können sich an die Froschchöre unter sich »erinnern« und »wissen«, daß sie über Sumpflandfliegen. Andere Nachtflieger schicken ihre Rufe nach unten auf die Erde und bestimmen anhand des Echos ihre Flughöhe und die Beschaffenheit des Geländes.

Das Heulen wandernder Fische kann durch Schiffsplanken dringen und Matrosen in ihrer Koje aufwecken. Ein Lachs kennt den Geschmack des Flusses, aus dem er stammt. Delphine entsenden Schnalzlaute zu Unterseeriffen und orientieren sich anhand des Echos, um sicher durch sie hin-durchzukommen. Mir kam sogar der Gedanke, daß ein Delphin, wenn er »trianguliert«, um seine Position zu bestimmen, sich ähnlich verhält wie wir, wenn wir die »Dinge«, denen wir in unserem täglichen Leben begegnen, benennen und vergleichen und auf diese Weise unseren Platz in der Welt festlegen.

Jedes Buch, das ich aufschlug, erhielt wie selbstverständlieh einen Bericht über den spektakulärsten aller Vogelzüge, den Flug der Arktischen Seeschwalbe - ein Vogel, der in der Tundra nistet, in antarktischen Gewässern überwintert und dann in den Norden zurückfliegt.    -(chatw)

Ortsbestimmung (2)    Im Dorfe Kurada lebte einst ein Bharataka, der hieß Dharada, war dumm und hatte einen sehr verschlafenen Schüler. Einst im Winter, als strenge Kälte herrschte, verließ der Bharataka eines kleinen körperlichen Bedürfnisses wegen um Mitternacht seine Klause. Als er es verrichtet hatte, legte er sich infolge seiner großen Müdigkeit schlaftrunken an Ort und Stelle nieder in der Meinung, er befinde sich auf seinem Lager. In der letzten Nachtwache aber peinigte ihn der Frost dermaßen, daß er laut rief und seinen Schüler fragte: »Heda! Schüler! Lieg' ich denn auf meinem Lager und bin ich denn in meiner Klause, oder bin ich draußen?« Der Schüler war ebenso verschlafen wie er selbst. Als er darum diese Frage hörte, blieb er liegen und tastete nur mit der Hand die Lagerstätte seines Lehrers ab. Er bekam den Schwanz eines Hundes zu fassen, welcher sich daraufgelegt hatte, und rief: »Heda! Lehrer! Hast du einen Schwanz oder nicht?« Als der Lehrer das hörte, betastete er sich hinten, bekam das Ende seines Lendentuchs in die Hand und rief: »Jawohl! Einen Schwanz hab' ich!« Darauf rief der Schüler: »Dann bist du auch in der Klause und liegst auf deinem Lager.«   - Indische Märchen. Hg. und übersetzt von Johannes Hertel. München 1953 (Diederichs Märchen der Weltliteratur)   

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