Ornament (2) Ich
richtete mein Fernglas auf das Haus. Da war kein Lebenszeichen zu sehen,
doch da war das baufällige Dach, die lange Lehmwand, die über dem Gras
hervorlugte, mit drei kleinen, rechteckigen Fensterlöchern, von denen nicht
zwei dieselbe Größe hatten; all das wurde nun in Reichweite meiner Hand
gebracht. Und dann machte ich eine ruckhafte Bewegung, und einer der übriggebliebenen
Pfähle jenes verschwundenen Gatters sprang ins Blickfeld meines Fernglases.
Ihr erinnert euch: ich erzählte schon, ich sei aus der Ferne betroffen
gewesen von gewissen Ansätzen einer Ornamentierung, die angesichts der
Baufälligkeit des Ortes bemerkenswert genug gewesen seien. Jetzt sah ich
sie plötzlich aus größerer Nähe, und ihre erste Wirkung auf mich war derart,
daß ich verdutzt zurückfuhr. Dann ließ ich das Fernglas behutsam von Pfosten
zu Pfosten wandern und erkannte meinen Irrtum. Diese runden Köpfe waren
nicht ornamental, sondern symbolisch; sie waren ausdrucksvoll und verwirrend
— Nahrung sowohl den Gedanken als auch den Geiern, wenn welche am Himmel
gewesen wären und herabgespäht hätten; jedenfalls aber den Ameisen, die
emsig genug die Pfosten hinaufliefen. Sie wären sogar noch eindrucksvoller
gewesen, diese Schädel dort auf den Pfählen, wenn sie ihre Gesichter nicht
dem Haus zugekehrt hätten. Nur einer, der erste, den ich bemerkt hatte,
blickte in meine Richtung. Ich war nicht so erschrocken, wie ihr vielleicht
annehmt. Das Zurückfahren war nichts als ein Ausdruck der Überraschung.
Ich war auf Holzkugeln gefaßt gewesen, wißt ihr. Ich kehrte bedächtig zum
ersten, den ich gesehen, zurück - und da war er, schwarz, vertrocknet,
eingesunken, mit geschlossenen Augenlidern - ein Kopf, der auf der Spitze
jenes Pfahles zu schlafen schien und-der, da die eingeschnurrten, trockenen
Lippen eine Reihe weißer Zähne bloßlegten, obendrein lächelte, unentwegt
lächelte über einen nicht endenden, scherzhaften Traum jenes ewigen Schlummers.
- Joseph
Conrad, Herz der Finsternis. Frankfurt am Main 1968
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