0 ptimismus  Bouvard sieht die Zukunft der Menschheit in rosigen Farben. Der moderne Mensch ist auf dem Wege des Fortschritts.

Europa wird durch Asien neu belebt werden; da das historische Gesetz erwiesen hat, daß die Zivilisation von Osten nach Westen fortschreitet - die Rolle Chinas -, werden die beiden Menschheitshälften endlich miteinander verschmelzen.

Erfindungen der Zukunft: Arten des Reisens. Ballon. Unterseeboot mit Klarsichtluken; [Fahrten] bei beständiger Ruhe, da das Meer nur an der Oberfläche aufgewühlt ist - man sieht die Fische vorbeischwimmen und die Landschaften auf dem Grunde des Ozeans. Gezähmte Tiere. Alle Kulturen.

Zukunft der Literatur (Gegenstück der industriellen Literatur).

Künftige Wissenschaften. Bändigung der magnetischen Kraft.

Paris wird zum Wintergarten - Obstspaliere auf dem Boulevard. Die Seine geklärt und erwärmt - Überfluß an künstlichen Edelsteinen. - Beträchtlicher Aufwand an Vergoldungen, Beleuchtung der Häuser. Man wird das Licht speichern, denn es wird Körper geben, die diese Eigenschaft [der Lumineszenz] haben wie der Zucker, das Fleisch bestimmter Mollusken oder der Bologneser Phosphor. Es wird Vorschrift werden, die Häuserfassaden mit phosphoreszierenden Farben anzustreichen, und deren Ausstrahlung wird dann als Straßenbeleuchtung dienen.

Verschwinden des Bösen durch Verschwinden aller Bedürfnisse. Die Philosophie wird Religion sein.

Gemeinschaft aller Völker, öffentliche Feste.

Man wird zu den Sternen reisen - und wenn die Erde völlig heruntergewohnt ist, zieht die Menschheit auf andere Galaxien um.

Kaum hat er zu Ende geredet - als: Einzug der Gendarmen.  - Gustave Flaubert, Bouvard und Pécuchet. Frankfurt am Main 2003 (Die Andere Bibliothek 222, zuerst 1881)

Optimismus (2) Leibniz, der seine Philosophie stets den Forderungen des Tages unterordnete, hielt unsere Welt für die beste aller möglichen Welten. Um eine derart unglaubwürdige Lehre zu verspotten, erfand Voltaire das Wort «Optimismus» als Untertitel zum Candide. Es fiel ihm nicht schwer, Beispiele von Katastrophen und Unglücksfällen aufzuhäufen, aber er tat dies mit soviel Überschwang und in einem derartig witzigen Stil, daß er nicht etwa hoffnungslose Trauer erzeugt, sondern das genaue Gegenteil. Wie kann die Welt schlecht sein, wenn sie einen Menschen wie Voltaire hervorgebracht hat! Er hielt sich für einen Pessimisten, aber sein Temperament verbot ihm diese melancholische Beurteilung.   - Jorge Luis Borges, Vorwort zu: Voltaire, Mikromegas. Stuttgart 1983 (Die Bibliothek von Babel, Bd. 28)

Optimismus (3)  Der größte Bösewicht weiß sich vor sich selbst zu entschuldigen, sucht sich selbst zu überreden, daß das Laster, welches er begeht, kein so großes Laster sei, oder daß ihn die unvermeidliche Notwendigkeit es zu begehen zwinge. Es ist wider alle Natur, daß er sich des Lasters, als Lasters, rühmet; und der Dichter ist äußerst zu tadeln, der aus Begierde, etwas Glänzendes und Starkes zu sagen, uns das menschliche Herz so verkennen läßt, als ob seine Grundneigungen auf das Böse, als auf das Böse, gehen könnten.- Lessing, Hamburgische Dramaturgie

Optimismus (4)  Leibniz, der Begründer des Optimismus, ein ebenso großer Dichter wie tiefgründiger Philosoph, erzählt irgendwo, in einem Tempel von Memphis habe es eine hohe Pyramide aus Weltkugeln gegeben, die übereinander angeordnet waren; ein Priester, der von einem Reisenden über diese Pyramide und diese Weltkugeln befragt worden sei, habe geantwortet, dies alles seien mögliche Welten, und die vollkommenste sei auf der Spitze; der Reisende sei daraufhin voller Neugierde, aus der Nähe diese vollkommenste der Welten zu sehen, auf die Pyramide emporgestiegen, und das erste, das ihm auf dem obersten Globus in die Augen fiel, war Tarquinius, der Lucretia vergewaltigte.  - (sop)

Optimismus (5, ruchloser)   «Ich habe vor einigen Jahren ein Buch von einem amerikanischen Autor gelesen, es hieß: Ist das Leben wert, gelebt zu werden? Ist das nicht die Frage, die Sie sich stellen?»

Natürlich nicht, das ist nicht die Frage, die ich mir stelle. Aber ich will nichts erklären.

«Er sprach sich», sagte der Autodidakt in tröstlichem Ton, «für den willentlichen Optimismus aus. Das Leben hat einen Sinn, wenn man ihm nur einen geben will. Man muß zuerst handeln, sich in ein Unternehmen werfen. Wenn man anschließend nachdenkt, sind die Würfel gefallen, man ist engagiert. Ich weiß nicht, was Sie davon halten?»

«Nichts», sage ich.   - Jean-Paul Sartre, Der Ekel. Reinbek bei Hamburg 2004 (zuerst 1938)

Optimismus (6)  »Nehmen Sie ein Teilchen jener Arbeit auf sich. Wenn wir alle, wir Bewohner der Städte und des Landes, wenn wir alle ohne Ausnahme uns einverstanden erklären würden, die ganze Arbeitsmasse, die von der Menschheit insgesamt zur Befriedigung der physischen Bedürfnisse aufgewandt wird, untereinander aufzuteilen, so würden vielleicht auf einen jeden von uns nicht mehr als zwei bis drei Stunden am Tage entfallen. Stellen Sie sich vor, daß wir alle, die Reichen wie die Armen, nur drei Stunden am Tage zu arbeiten hätten und daß die übrige Zeit für uns frei wäre. Und stellen Sie sich weiter vor, daß wir, um noch weniger von unserem Körper abhängig zu sein und um weniger zu arbeiten, Maschinen erfinden, welche die Arbeit überflüssig machen, und daß wir uns Mühe geben, die Zahl unserer Bedürfnisse bis auf ein Minimum zu verkürzen. Wir würden damit nur uns und unsere Kinder abhärten, auf daß sie nicht mehr Hunger und Frost zu fürchten brauchten und damit wir nicht ständig um ihre Gesundheit zittern müßten, wie die Annas, Mawras und . Pelagejas zittern. Stellen Sie sich vor, daß wir uns nicht immerzu kurieren müßten und daß wir keine Apotheken, keine Tabakfabriken und "Weinbrennereien mehr haben würden -wieviel freie Zeit würde das schließlich und endlich für uns ergeben! Wir würden alle miteinander unsere Muße den Wissenschaften und den Künsten widmen. Wie zuweilen die Bauern als gesamte Dorfgemeinde einen Weg in Ordnung bringen, so würden wir gemeinsam als eine Gesamtgemcinde nach Wahrheit und Sinn des Lebens suchen, und - davon bin ich überzeugt - die Wahrheit würde sehr bald entdeckt werden, und der Mensch würde von der ewigen qualvollen, nieder-, drückenden Todesangst befreit werden und sogar vom Tode selber.«  - Anton Tschechow, Das Haus mit dem Mezzanin. nach (tsch)

Leichtsinn Erwartung Stimmung

 

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Pessimismus

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