Opernpublikum   «Brrrr, Rossini!» schüttelt sich Gustav, und schon geht's wieder los: «Du elendsaltes Fossil. Warum denn, glaubst du, geht kein Mensch mehr in Konzerte? Etwa wegen dem Krieg? O nein, ich werd dir sagen, weshalb, Alterchen - weil die Konzertsäle voll sind mit Leuten deines Schlages! Gerammelt voll! Die im Halbschlaf nicken und grinsen, sich räuspern, durch künstliche Gebisse furzen und in Papiertüten spucken und dabei immer genialere Verschwörungen gegen ihre Kinder aushecken - nicht nur ihre eigenen, sondern auch gegen die Kinder anderer Leute! Da sitzen sie in den Konzerten mit all den anderen schneeköpfigen alten Gaunern, ein netter murmelnder Hintergrund aus Keuchen, Rülpsen, Schmatzen, Krächzen und Darmgewinsel, ein ganzes Opernhaus, vollgestopft mit diesen Figuren bis rauf zur Stehgalerie, tatternd durch Wandelgänge und von den höchsten Balkons herunterhängend, und weißt du, was die sich allesamt anhören, Säure, ha? Sie alle hören sich Rossini an! Sitzen, sabbern und lauschen einem Potpourri aus kleinen Melodien, die man nach dem ersten Takt zu Ende pfeifen könnte. Lehnen sich vorwärts, stützen die Ellenbogen auf die Knie und mummeln: ‹Mach schon, Rossini, mach schon, laß das auftrumpfende Fanfarenzeug beiseite und mach weiter zu den wirklich guten Melodien!› Ein Benehmen, so schamlos, wie ein ganzes Glas Erdnußbutter auf einen Sitz aufzuessen. Und dann kommt diese spritzige Tancredi-Tarantella, und entzückt stampfen sie mit den Füßen auf, lassen ihre Zähne rausploppen und schlagen mit ihren Spazierstöcken den Takt.  - Thomas Pynchon, Die Enden der Parabel. Reinbek bei Hamburg 1981
 
 

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