logie Nachdem
der Weg einmal freigemacht war, kam Orsells zum Kern der Sache: das heißt, daß
er nach Jahren des Forschens, wie ein Schiffer auf dem Ozean des Denkens dahintreibend
und ohne andere Führer als den Kompaß der Regel, oder wie ein Forscher der intersiderischen
Abgründe der Moral, dessen astronomisches Fernrohr die Regel ist (und
hier war die Bezugnahme auf Galilei, da sie an die Hinweise in der Präambel
erinnerte, unbedingt notwendig), gesehen habe, was bisher noch niemand zu schauen
gewagt habe: die tiefe Einheit des menschlichen Wissens um einen zentralen
und geheimen Kern herum, eines Wissens, das er als einziger mit der notwendigen
Erhellung in die Hände der Öffentlichkeit zu legen vermöge, was er, wenn auch
nur partiell, in den folgenden Werken (es folgte eine Liste aller seiner lieferbaren
Bücher) bereits zu tun begonnen habe; diesen zentralen, sehr alten und sehr
geheimen Kern des Wissens beschrieb er nicht, noch nicht, das sollte das Thema
einer späteren Veröffentlichung sein, aber er konnte ihr bereits einen Namen
geben; und dieser Name war »Ologie«; im Mittelpunkt des menschlichen Wissens
stand von nun an und würde stehen die Ologie; wir würden uns daran gewöhnen
müssen, alogisch zu denken, unsere schäbigen Gewohnheiten zu ändern, unsere
Privilegien als Kapitalisten des Wissens in einer Nacht des philosophischen
4. Augusts abzuschütteln und der Ologie zu lauschen (es war der lyrische und
prophetische Teil des Textes; schwere Wolken kündeten sich an für den Fall,
daß wir zu lange warten würden, diese unbedingt notwendige, tiefgreifende Wandlung
zu vollziehen). Sämtliche wissenschaftlichen und anderen Disziplinen, die harten
Wissenschaften ebenso wie die weichen, müßten natürlich um den zentralen Kern
herum neu gegliedert werden und viele von ihnen müßten sich ändern, das heißt
zuallererst ihren Namen ändern; für einige sei das nicht allzu schwer, da der
Boden gewissermaßen schon vorbereitet sei: Die Psychologie würde zur Psych-ologie
werden, wodurch die ologische Grundlage der Disziplin, aus ihrer überholten,
veralteten Schale herausgelöst, deutlich gemacht werde; die Bakteriologie wäre
die Bakteri-ologie, die Geologie wäre die Ge-ologie, das versteht sich von selbst,
aber manche Disziplinen würden viel tiefergreifendere Veränderungen hinnehmen
müssen. Die Mathematik könne nicht in ihrem bisherigen Zustand bleiben, sowenig
wie die Chemie oder die Physik. Die Physik zum Beispiel wäre von nun an die
Physisologie (nicht zu verwechseln mit der Physiologie, die etwas ganz anderes
ist). Somit wären die Dinge klar: Es gäbe in jeder Wissenschaft auf der einen
Seite ihre eigene Ologie und auf der anderen Seite des Bindestrichs, auf der
linken, ihren aologischen oder nichtologischen Rückstand, der dahingehend überprüft
werden müsse, ob man ihn in den Dienst der Ologie stellen könne: »In allen Dingen«,
sagte Orsells, in einer dieser verblüffenden Formulierungen, die sein Geheimnis
blieben, »muß die Ologie ans Ruder kommen.« - Jacques
Roubaud, Die schöne Hortense. München 1992 (dtv 11602, zuerst 1985)
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