Ohropax    Jetzt wie kann es so was geben, daß ein gestandenes Mannsbild wie der Brenner sich fürchtet, weil ihm wer seine Ohropax aus der Schachtel genommen hat? Du mußt dich hineinversetzen in einen Menschen, der gerade auf einer schillernden Party war, dann die Petting-sache, die Ogusakesache, dann der Heimweg über den föhngebeutelten Kapuzinerberg, dann hinein in die unsympathische Internatsburg, hinauf in das Hüfspräfek-tenzimmer, und einzige Zuflucht die Schachtel mit den rosaroten Wachskügelchen. Ist natürlich schon ein komisches Gefühl, wenn du todmüde die Schachtel aufmachst, und von den zwanzig Kügelchen ist kein einziges mehr drinnen.

Komisches Gefühl, ja, aber deshalb gleich den Nachtportier wecken, nein.

Ich muß dazu sagen, die Kügelchen waren nicht mehr drinnen, aber leer war die Schachtel trotzdem nicht. Weil jemand hat die rosaroten Wachskügelchen in ein wunderschönes, vollkommen naturalistisches menschliches Ohr verwandelt.

Das Ohr hat so genau in die Ohropaxschachtel gepaßt wie in einen Maßsarg. Und es hat so echt ausgesehen, daß es den Brenner nicht gewundert hätte, wenn es noch warm gewesen wäre. Vielleicht hat er nur deshalb nicht vor Schreck aufgeschrien. Aus Angst, daß ihn das Ohr hört. So rosarot und lebendig hat es aus seinem Etui geleuchtet. Van Gogh nichts dagegen.  - Wolf Haas, Silentium! Reinbek bei Hamburg 2012

Nicht hören wollen Ohr

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