hr, geschlechtsloses  »Der Scharlatan hat mir jedenfalls gesagt, daß ich dem Ohr nicht trauen soll, obwohl er dem Ohr außergewöhnliche Qualitäten zubilligt.«

»Dieses Lob ermutigt mich. Möchten Sie, daß ich Sie an den harmonischen Mysterien des Kosmos teilhaben lasse? Möchten Sie, daß ich Ihnen Dinge sage, die Ihr Leben verändern können? Ich bin nur Ohr. Glauben Sie ja nicht, daß sich im Boden irgendwelche Eingeweide von mir verstecken. Das ist ein Irrtum, der schon manch hoffnungsvollen Schüler von mir entfernt hat. Ganz besonders bin ich frei von Gedärmen und Geschlechtsorganen. Meine Pilze sind mir eine liebe Gesellschaft, aber in theologischer Hinsicht sind sie ziemlich bescheiden. Doch das Gefühl ist ausschlaggebend, das werden Sie verstehen.«

»Ich höre zu.«

»Nein nein..., ich bin es, der zuhört. Aber lauschen Sie nun den Sphärenharmonien, dem Sternklang, den astralen Schlägen, den galaktischen Chören. Warten Sie - ich muß mein Gehörfeld ganz weit ausdehnen, um diese Klänge aufzufangen. Kommen Sie näher.«

Ich komme nicht näher. Dieses Ohr ähnelt zu sehr einem Mund und Fleischschlund. Ich bemerke, daß das Ohr nicht insistiert. Ich sehe, wie es sich zum Himmel oder zu etwas emporreckt, das der Himmel sein müßte.

»Da ..., hören Sie! Nähern Sie sich!«

Ich rühre mich nicht. Aus dem Ohr dringen schrille Klänge - splitterndes Glas, schauriges Knirschen brechender Knochen.

»Das ist die kosmische Harmonie, der Sie Ihre unharmonische Seele überlassen sollten. Kommen Sie näher, ich bitte Sie.«

Ich packe mit der Hand zehn oder zwölf Pilze und reiße die Stöhnenden aus dem Boden und bemerke, daß ihre Fäden sich unterirdisch fortspinnen bis zu den Gedärmen und Geschlechtsorganen des Ohrs; und nicht die Pilze schreien, sondern das Ohr. Ich schleudere die Pilze in die Ohrmuschel und fliehe. Ich umschleiche das Ohr, das erschaudert und sich zusammenzieht. Mit einem Fußtritt entferne ich einen Pilz, der gerade so viel zu wachsen versucht, daß ich über ihn stolpern muß, und siehe da, ich befinde mich im schweigsamen Inneren des Dunstes. Kein Geräusch ist zu hören, nur die Klänge, die ich mir vorstelle: die Schreie des Ohrs, die Schläge des falschen Gottes, mein eigenes Prozessionsgetrappel.    - (hoelle)