edipus
›Sie, ein Scharadenmacher, ein professioneller Entzifferer, ein Mensch,
der seine Zeit damit zubringt, Rätsel und Logogriphen aufzuschlüsseln und neue
anzulegen, werden von der Blindheit bestimmt wohltätig
beeinflußt werden. Denken Sie nur daran, daß der Schutzpatron der Jahresbeilage
des ,Lusobrasilianischen Scharaden- und Literatur-Almanachs' Üdipus ist, der
seine Tage als Blinder beschloß. Da dem so ist, dürfen Sie sich nicht darüber
beklagen, daß Ihnen jetzt dasselbe widerfahren ist und Sie nunmehr genötigt
sind, den strauchelnden Schritten Ihres Schutzpatrons auf der Straße der Blindheit
zu folgen. Wer weiß, ob Sie nicht als Blinder zum Ausgleich die Geistesklarheit
des ödipus empfangen? Ödipus, der das Rätsel des Menschen gegenüber der Sphinx
gelöst hatte, wurde nach seiner Erblindung ein so effizienter Entzifferer, daß
ihm die Ehre zuteil wurde, zum Schutzpatron aller Scharadenmacher der Welt auserkoren
zu werden. Nach alledem, was mir unser Volksbarde,
unser einäugiger Lino Pedra-Verde erzählt hat, waren es zwei Sperber,
ein Männchen und ein Weibchen, die Sie geblendet haben, nicht wahr?‹ ›So ist
es‹, gab ich mit böser Miene zurück. ›Nun, dann können Sie ganz sicher sein,
Quaderna, daß Sie von nun an der einzige Mensch auf der Welt sein werden, der
gleichzeitig imstande ist, die Dinge männlich und weiblich zu sehen, was bestimmt
ein großer Vorteil für den Entzifferer und Epiker ist, der Sie immer werden
wollten. Nach meiner Ansicht sah Ödipus, als er noch jung war und gesunde
Augen hatte, zu vIel, und das war der Grund dafür, weshalb er überhaupt nichts
sah- Erst nach der Erblindung empfing er die Geistesschärfe der Sphinx
und konnte feststellen, daß Welt und Leben, wie der geniale Tobias Barretto
sagt, ,eine erschütternde Ganzheit bilden'. Ich glaube, deshalb behaupten auch
die deutschen Philosophieprofessoren, daß
Ödipus noch als Blinder ein Auge zuviel hatte.‹
›Ja, gewiß, das Auge am Hintern‹,
sagte ich ziemlich wütend, weil ich sah, mit welchen Überlegungen diese Subjekte
an mein Unglück herangingen. Und ich fügte hinzu: ›Deshalb sagen auch wohl die
brasilianischen Philosophieprofessoren hier am Ort, eine Pfefferschote
im Hintern der andern sei die reinste Erfrischung.‹
- (stein)
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