Ode, gewöhnliche   Willst du eine cirkusprinzessin sein, mit gewichsten stiefelchen, mit ein wenig seife hinterm ohr, mit einer locke halbmond in der stirn, mit einem offenen knopf am busen, mit einer maus in der wäsche, mit einem löwen auf dem dach?

Nackt im hemd zwischen gelehrten schwänen, zwischen beredten gänsen, eine blume als unterleib, ein feigenblatt als antlitz, im wachen die augen schließend, im traume wachend wie die wachtel, so eilig, so weilig, so flink aus der haut wie die windsbraut . . .

Bist du ein vollkommener abend, oder die grille, die durch die hecke hüpft, bist du ein lift mir zum herzen, ziehst du den vorhang dicht, reuen dich die zuckerbüchse und die reizende milchkanne, ist deine farbe zu dunkel, ist deine ferse zu hell?

Im volldampf mit fliegenden haaren, wie ein pfeil durch die quelle und fort durch den mittag, mit glühwürmchenaugen, die in der laterne des weltdetektivs schlummern, ein elastisches harz neben gelben blüten, ein laubwerk, das ich wegen seines schattens liebe.

Liebst du eine stecknadel, heiratest du eine kullernde schelle, springst du vergnügt durch papierenen schnee, spreizest du der lilie die beine, sagst du montag zum sonntag, bist du eine nachtmütze, eine patinaputte, ein pantöffelchen, eine kleine ampel, ein rosa plakat?   - H. C. Artmann, Gewöhnliche Ode, in: H. C. A., Unter der Bedeckung eines Hutes. Montagen und Sequenzen. Frankfurt am Main 1976

Ode Gewöhnlichkeit


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