chse, studierter Ein Bauer hatte einen Ochsen, ein sehr schönes und kluges Tier. Er und seine Frau hatten ihn so lieb und hielten so viel von ihm, daß sie beschlossen, ihn studieren zu lassen. Der Bauer ging zum Kaufmann in die Stadt, ihn um seinen Rat zu fragen. Der erklärte sich ganz damit einverstanden, indem er im stillen dachte, von der Dummheit des Bauern seinen Vorteil zu ziehen. Er schlug ihm seinen Freund, den Advokaten, vor, der werde den Ochsen Ichren. Der Kaufmann ging, als der Bauer sich einverstanden erklärte, zum Advokaten hin, sie verabredeten, sich zweihundert Taler zahlen zu lassen, die wollten sie teilen und ebenso den Ochsen, den sie schlachten wollten. Der Kaufmann kehrte zum Bauern zurück und teilte ihm die Bedingungen mit. Der Bauer war hocherfreut und seine Frau nicht minder. Sie drängte ihn, den Ochsen so bald wie möglich zum Advokaten zu bringen. Am nächsten Tag führte er den Ochsen zum Advokaten, der ihn aus einem zinnernen Gefäß Hafer fressen ließ, was dem Bauern gar wohl gefiel. »So, mein liebes Öchslein«, sagte er, »das wird dir besser bekommen als das mühsame Ziehen der Pflugschar.« Damit zahlte er seine zweihundert Taler und ließ sich nur noch versprechen, daß der Advokat den Ochsen nicht grob behandeln wolle. Kaum war er fort, da benachrichtigte der Advokat den Kaufmann. Sie teilten das Geld, schlachteten den Ochsen und lachten herzlich über den dummen Bauern.
Nach einiger Zeit ging der Bauer zum Advokaten und fragte, ob er seinen Ochsen
nicht mal sehen könne. Nein, das ginge nicht, das würde den Ochsen zu sehr stören.
Aber er versicherte ihm, daß der Ochse gute Fortschritte mache. Wie der Bauer
zum zweiten und dritten Male kam, half er sich mit derselben Ausrede. Endlich
war er aber doch besorgt, der Bauer könnte Verdacht schöpfen. Darum sagte er
ihm, sein Ochse sei Papst in Rom geworden. Darüber wunderte
sich der Bauer sehr und fragte, wie weit es denn nach Rom sei. Ja, da müsse
er ein ganzes Jahr reisen. Der Bauer aber sagte, wenn's auch noch weiter wäre,
dann wolle er doch hin. Er ging nach Hause und teilte seiner Frau seinen Plan
mit, ihren Ochsen aus Rom zu holen. Am anderen Morgen nahm er einen Strick,
wickelte ihn sich um den Leib und machte sich auf die Reise nach Rom, das er
dann auch nach langer Zeit erreichte. Er erkundigte sich gleich nach der Wohnung
des Papstes. Man zeigte ihm einen schönen Palast, und als er ihn ansah, freute
er sich über seines Ochsen Glück. Er ging stracks zum Palast und wollte hinein,
aber eine Wache versperrte ihm den Weg. Der Bauer sagte: »Ja, wißt Ihr denn,
lieber Mann, wer ich bin? Ich will ihn mitnehmen, denn die Mutter soll ihn auch
sehen.« Er hatte sich auf der ganzen Reise nicht gekämmt und nicht gewaschen;
weil er so wild aussah und vom Mitnehmen sprach, fürchtete sich die Wache und
glaubte, daß er der Teufel selber sei, und ließ ihn
ein. Der Bauer ging in die Stube des Papstes, wo er seinen vermeintlichen Ochsen
schreiben sah. »Herrje«, rief er, »mein liebes Öchslein, so sehen
wir uns also wieder!« Und er trat an ihn heran,
streichelte ihn und wickelte unbemerkt den Strick vom Leibe, legte ihn um den
Hals des Papstes und sagte: »Na, nun komm mal mit, mein liebes Öchslein, Mutter
soll dich auch sehen!« -
Lügenmärchen aus alter und neuer Zeit. Hg. Georg A. Narciß. Frankfurt am Main
1966 (Fischer-Tb. 744)
|
||
|
||