chse Er
war ein Ochse von einem Mann, strammes Rindfleisch bis zu den Hacken, und bereits
früh im Leben zeigte er gewisse Tendenzen, die mit seinem Äußeren in Einklang
standen. Speck und Brot und Tee und Kohl und dergleichen rührte er nicht an,
aber bei einer schönen Fütterung mit Gras oder Heu sagte er nicht nein. Er schämte
sich ein wenig seines seltsamen Gaumens, und so manches Mal sah ich ihn abends
verstohlen hinter seiner Hütte grasen. Diese ungewöhnliche Diät ernährte ihn
nicht ausreichend, und physisch gedieh er nicht so recht. Eines Tages kostete
er zufällig von einem Stück Ölkuchen, und danach wollte er von keiner anderen
Nahrung mehr hören. Er begann von Ölkuchen zu leben und wuchs heran, bis er
immer mehr einem stattlichen Mullingar-Ochsen der Handelsklasse A zu ähneln
begann. Der Höhepunkt kam, als er drei seiner eigenen Ochsen auf den Rindermarkt
fuhr und es ihm gelang, bei einem kurzsichtigen Käufer aus Manchester als vierter
durchzugehen. Er ließ sich vier bezahlen und wurde dann mit den anderen zur
Nordmole transportiert. Sobald er an Bord war, galt es zu warten, bis man sich
auf See befand, und dann den Weg nach oben an die Bar zu beschreiten und sich
die Nacht mit den anderen Viehhändlern pokernd und whiskeytrinkend zu vertreiben.
In Liverpool gönnte er sich ein üppiges Frühstück und fuhr mit dem nächsten
Schiff nach Hause. Danach wurde er auf jedem Rindermarkt in den Midlands ein
oft gesehener Gast. In der einen Minute kaufte er drei Ochsen, verkaufte in
der nächsten Minute vier, und dann ging es ab, zum Verladen an die Nordmole.
Was letztendlich aus ihm wurde, weiß ich nicht. Manche sagen, er habe sich,
während er unten beim Vieh aufs Ablegen wartete, betrunken, und seine Sinne
seien erst zurückgekehrt, als es bereits zu spät war. -
(
myl
)
Ochse
(2) Ich bin ein großes Tier und ein gutes Tier. Ich weiß,
wohin man mich führt. Und ich habe auch nichts dagegen. Ich bin der wahre Wohltäter
der Menschheit. Ihr gehört mein Herz — ihr gehören auch meine Nieren und meine
Schinken — und meine Knochen mit dem herrlichen Mark! Daß man mich nicht so
ehrt wie andere Wohltäter, macht mir nichts aus. Auf Dank hab' ich nie gerechnet.
Daß man mich aber noch schlägt mit dem Ochsenziemer — halte ich für
gemein. Muß ich auch noch zum Märtyrer werden?
Wozu? -
Paul Scheerbart, Immer mutig! Ein phantastischer Nilpferderoman mit 83 merkwürdigen
Geschichten. Frankfurt am Main 1990 (zuerst 1902)
Ochse (3)
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