eutrum
Immer gab es ein schwer zu fassendes je ne sais quoi um den ganzen
Monsieur de la Rochefoucauld. Seit seiner Kindheit wollte er in Intrigen sich
mischen, dies zu einer Zeit, da er für kleinliche Rücksichten keinen Sinn hatte
— sie sind übrigens seine Schwäche nie gewesen;
die großen aber kannte er noch nicht. Er ist niemals zu irgendeiner Unternehmung
fähig gewesen, ich weiß selbst nicht warum; denn bei jedem anderen hätten die
Eigenschaften, die er besaß, jene ersetzt, die ihm mangelten. Er war nicht eben
weitblickend und überblickte nicht einmal in einem, was ihm zum Greifen nahe
war; eigentlich aber hätten sein kluger und im Planen höchst brauchbarer Verstand,
hätten, hinzukommend, sein freundliches Wesen, seine Gabe, sich beliebt zu machen,
und seine Anpassungsfähigkeit, die außerordentlich war, bei ihm den Mangel an
durchdringender Urteilskraft wettmachen sollen. Unentschlossenheit war ihm seit
je zur Gewohnheit geworden; worauf sie zurückzuführen ist, wüßte ich jedoch
selbst nicht zu sagen. Von einem Übermaß an Einbildungskraft kam sie jedenfalls
nicht, denn die war alles andere als lebhaft. Ebensowenig möchte ich die Ursache
in einem Versagen seiner Urteilskraft suchen; obwohl sie nämlich im Laufe der
Aktion nicht eben auserlesen ist, verfügt er doch über ein gesundes Maß an Vernunft.
Jedenfalls sehen wir die Folgen dieser Ent-schlußlosigkeit, ohne ihre Gründe
zu kennen. Ein Kriegsmann war er nie, obzwar sehr soldatisch. Nie auch ist er,
von sich aus, ein guter Hofmann gewesen, obschon er den besten Willen dazu hatte.
Und für Parteikämpfe hat er sich niemals geeignet, obwohl er sein Leben lang
in sie verwickelt blieb. Jenes verlegene und schüchterne Wesen, das Sie an ihm
im täglichen Leben beobachteten, hatte sich in öffentlichen Angelegenheiten
in eine Art von ständiger Rechtfertigung verwandelt. Immer glaubte er sie nötig
zu haben; dies, und seine Maximes dazu, die ja nicht eben viel Vertrauen zur
Tüchtigkeit verraten, und der Umstand, daß er immer mit ebensoviel Ungeduld
aus Unternehmungen auszusteigen versuchte, wie er bewiesen hatte, an ihnen teilzunehmen
— aus dem allen schließe ich, daß er besser daran getan hätte, sich selbst richtig
einzuschätzen und, was ihm durchaus möglich gewesen wäre, als der höflichste
Höfling des Jahrhunderts zu gelten. - (
retz
)