emesis
Unter den Kindern der Nacht erschien, wie man sich wohl erinnert, eine
Tochter dieser Urgöttin, die Nemesis. Der Name bedeutet den gerechten Zorn,
der sich gegen diejenigen richtet, die eine Ordnung, vor allem die Ordnung
der Natur, durchbrochen haben und ihre Regel und
Norm verletzten. Wird die Themis nicht beachtet, ist die Nemesis da. Sie hatte
Flügel, wenigstens auf späteren Darstellungen; aber
es kann auch Zufall sein, daß nur solche erhalten blieben. Aidos, ihre Gefährtin,
die Göttin »Scham«, die nach der Prophezeiung des Hesiod
die Menschen mit der Nemesis verlassen soll, erscheint viel früher beflügelt.
Artemis, der beide sehr nahe stehen, hatte in den
ältesten Zeiten ebenfalls Flügel. - (kere)
Nemesis (2) MUFFL. Plebejer! So reich, so dumm
und doch so verheuratet! Der hätt’ ein zu degoutantes Glück gehabt, aber
die Heirat is das Sordindl auf die Geigen, von denen sein Himmel vollhängt.
Wär’ er nicht so reich, hätt’ sie ihn nicht geheirat’t; wär’ er nicht
so dumm, hätt’ er sie nicht geheirat’t; so aber is beides der Fall, er
hat Reichtum und Dummheit gesät, hat also müssen eine sekkante
Gattin ernten. So schafft man sich selber sein Haus-Nemesiserl
zur Privat-Marterei
und arbeitet so der großen Nemesis in die Händ’, daß sie nicht ganz den
Kredit der Gerechtigkeit verliert. – Schad’,
daß mein Äußeres nicht mehr auf Hinterlassung verführerischer Eindrücke
berechnet is, diese Frau hätte sonst – aber a bissel imponieren müssen
wir ihr doch! – in Haltung und Physiognomie es erraten lassen, daß hier
einer auf den Trümmern einer brillanten Vergangenheit steht, durch ein
stolzes Zugeknöpftsein angezeigt, daß man es verschmäht, mit Wäsch’luxus
zu kokettieren – so gewinnt auch das Herabgekommene einen sympathischen
Schimmer! – Johann Nestroy, Frühere Verhältnisse (1862)
Nemesis (3) Die Indianapolis gehörte zu den Schiffen, die im Sommer 1945 Teile der Hiroshima-Atombombe von San Francisco zur Insel Tinian brachten. Nach Erledigung dieses Geheimauftrages sollte der Kreuzer über Guam nach Leyte fahren. Nachts am 30. Juli 1945 wurde der 12000-Tonner vom japanischen U-Boot I 58 zwischen Guam und den Philippinen torpediert. Der Angriff war für Captain McVay vollkommen überraschend gekommen. Die Flottenleitstelle hatte ihm fälschlicherweise versichert, daß von der fast besiegten japanischen Marine keine U-Boot-Gefahr mehr in diesem Seegebiet ausginge. Daher bekam die Indianapolis keinen Geleitschutz, und McVay glaubte, zumindest nachts darauf verzichten zu können, den als U-Boot-Schutz üblichen Zickzackkurs zu fahren.
Die 186 Meter lange Indianapolis sank 15 Minuten nach der Torpedierung. Etwa 300 Mitglieder der 1196 Mann starken Besatzung gingen mit ihr unter. Die restlichen, darunter Kommandant Captain Charles McVay, konnten sich auf die wenigen intaktgebliebenen Rettungsflöße retten oder trieben in ihren Schwimmwesten im Wasser.
Die im Meer treibenden 900 Männer hofften, daß sie bald von Rettungseinheiten
aufgefischt werden würden. Ein tragischer Irrtum. Die Indianapolis hatte kurz
vor ihrem Untergang noch einen Notruf abgeben können. Die Funkmeldung war auch
von alliierten Funkern aufgefangen worden. Er konnte aber nicht eingeordnet
werden und wurde deshalb nicht beachtet. Dem ebenfalls abgefangenen Funkspruch
der I 58, einen amerikanischen Kreuzer versenkt zu haben, wurde kein Glauben
geschenkt. Tödlich für viele Schiffbrüchige der Indianapolis war, daß durch
die Verknüpfung von Codierungsfehlern und bürokratischen Schlampereien an der
Schnittstelle zweier Kommandobereiche keine Dienststelle der US-Marine den Kreuzer
als überfällig registrierte und vermißte. Statt rascher Rettung erwartete die
überlebenden Seeleute ein Martyrium. Viele starben an Erschöpfung oder psychischem
Druck. Viele wurden zur Beute von Haien, die ihren wehrlosen
Opfern oft nur die unteren Körperteile abrissen. -
Thies Völker, Lexikon berühmter Schiffe. München 2007
Nemesis (4) Dänischer Fronvogt kaufte 2 Pferde von einem armen Bauern, bezahlt sie aber nicht. Gerücht kommt, daß der Vogt unterschlagen hat und suspendiert werden soll. Der Bauer geht in der Nacht und holt seine Pferde wieder. Der Vogt bekommt Gnade, läßt nach den Pferden suchen, als der Bauer abwesend war; findet sie beim Bauern. Der Bauer wird angeklagt, gehenkt wegen seiner eigenen Pferde.
Der Vogt kauft nach einigen Jahren von einem Unbekannten 2 Pferde. Der Verkäufer
war Pferdedieb und verkauft als guten Kauf. Die Pferde werden gesucht, beim
Vogt wiedergefunden. Der Vogt wird angeklagt, kann nicht seinen Verkäufer nennen,
wird als Dieb verurteilt und am selben Galgen gehenkt
wie sein Bauer. -
(
nem
)
Nemesis (5) Bing, Admiral in England, nimmt Minorca ein, grassiert greulich über das seufzende Volk.
Der Sohn Bing, Admiral, erhält 1760 durch besondere Gnade das Kommando, einige 1000 Soldaten nach Minorca überzusetzen, wo die Franzosen an Land gegangen waren. Kommt hin, sieht, daß das ganze Volk vernichtet würde, wenn er es aufstellt. Conseil wird gehalten, alle votieren, es sei unmöglich; nur ein Kapitän votiert, wenn wir Ordres bekommen haben, das Volk in die Hölle zu liefern, so müssen wir dies tun. Aber das geschieht nicht. Der Franzose nimmt Minorca ein. Die Bevölkerung in England wird rasend; Bing, heimgekommen, wird angeklagt, erschossen. Später ruft populus, daß er unschuldig litt. Aber quod sus peccavit, luat porcellus.
[grassiert lat. grassari herrschen über, wüten gegen
Conseil Rat populus das Volk Quod
Was das Schwein verbrochen hat, muß das Ferkel büßen.] -
(
nem
)
Nemesis (6)
Nemesis (7) Die Zeitungen melden: Ein Geizhals
liegt totkrank darnieder und erfährt von seinem Arzt, es sei keine Rettung.
Er steht auf, verbrennt sein ganzes Vermögen (ungefähr 100000 rth. in Papieren),
legt sich wieder hin und fällt in tiefen Schlaf. Als der Arzt ihn wieder sieht,
sagt er ihm, die Krisis sei vorbei und nichts
mehr zu fürchten, Er erhenkt sich. Wunderbar-herrlicher Humor der Nemesis. -
April oder Mai 1837 -
Friedrich Hebbel, Tagebuch von April oder Mai 1837
Nemesis (8) Der Herr Lesnizkij, der hatte eine Schwester,
eine gottesfürchtige und barmherzige Jungfrau. Herr, erhöre die Seele deiner
Sklavin Julia, ewiges Gedenken. Heiraten tat sie nicht, und als sie starb, da
hat sie all ihr Gut aufgeteilt; dem Kloster hat sie hundert Dcsjatinen hinterlassen,
uns aber, der Bauerngemeinde des Dorfes Nedostschotowaja, hat sie für Seelenmessen
zweihundert hinterlassen; ihr Bruder aber, der Herr, der hat das Papier versteckt,
wird erzählt, er hat's im Ofen verbrannt und selber das ganze Land eingesackt.
Soll heißen, er meinte, daß es ihm nutzen würde, aber gefehlt; wart's nur ab,
auf der Welt kommt man nicht durch mit Lug und Trug, Bruder. Der Herr ist dann
zwanzig Jahre lang nicht mehr zur Beichte gegangen, es hat ihn von der Kirche
abgetrieben, und so ist er also ohne Reu gestorben
und geplatzt. War so ein Dicker. Ist der Länge
nach geplatzt. Und darauf hat man beim jungen Herrn, beim Serjosha, alles von
wegen Schulden gepfändet, ratzekahl alles. - Anton Tschechow, Dienstsache. N
ach
(tsch)
Nemesis (9)
Nemesis (10) Die Hauptschuldigen der Barkaier ließ nun Pheretime, als sie ihr von den Persern übergeben waren, pfählen rings auf der Mauer, den Frauen aber die Brüste abschneiden und auch mit denen die Mauer bestecken. Die übrigen Barkaier aber gab sie den Persern als Beute preis, ausgenommen das Geschlecht des Battos und die nicht mitschuldig waren am Mord; diesen übertrug Pheretime die Stadt....
Aber auch Pheretime nahm kein gutes Ende. Denn kaum hatte sie an den Barkaiern Rache genommen und war aus Libyen zurück in Ägypten, starb sie einen gräßlichen Tod. Denn in ihrem lebenden Leib wimmelte es von Maden. So leiden die Götter allzu heftige Rache der Menschen nicht.
Das war der Frau des Battos Pheretime Rache an den Barkaiern, gräßlich und
groß. - (hero)
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