Negerkönig  Der Herrscher von Bambarra hat soeben ein enormes Frühstück beendet (gebackene Bananen, vier Sorten Melone, gekochten Reis mil Spinat, gebratene Buntbarsche, Mohrenhirse-Pudding, Palmwein) und stillt gerade seine Lust an zwei präpubertären Knaben, die er sich unter den Flüchtlingen aus Dscharra erwählt hat, als ihn die Nachricht von der Ankunft des Entdeckungsreisenden erreicht. Seine erste Reaktion ist ein langgezogener Rülpser. Nackt, dickbäuchig, träge, so liegt er ausgestreckt unter der großen Eselsfeige im Innenhof seines Regierungspalasts, reglos wie ein Krokodil in der Sonne. Sandelholz läßt die Luft süßlich duften, in Käfigen trällern Vögel von Frieden und Einsamkeit, von der Kühle des Regenwalds. Die königlichen Fliegenklatscher, dürre alte Männer in Lendenschurzen, sind vollauf beschäftigt, das leise Zischen ihrer Schläge ist wie Schritte in einem Traum. Versonnen saugt Mansong an der Hookah, in deren Pfeifenkopf der mutokuane glüht, und denkt: „Ah, ja", während seine zwanzig grimmigen, ihm ergebenen Leibwächter mit langstieligen Fächern einen leisen Luftzug aufrühren. Ihm schwinden fast die Sinne. Der jüngere der Knaben verpaßt ihm eine zarte Fellatio, während der andere ihm das Gesicht leckt, mit fester, tastender Zunge über Lippen, Nase und Augenlider fährt, als schlecke er Milch aus einer Schale. Das Ganze ist so wonnig und sinnlich, ein solcher Orgasmus der Neuronen und Synapsen - ein solcher Trip -, daß er den Kurier zunächst gar nicht registriert. Bleicher Dämon? Katzenaugen? Massenhysterie? Dann aber dringen die Worte wie Stecknadelstiche allmählich durch: draußen vor dem Tor, ein weißer Schrecken, Einlaß verlangend. Jetzt. Diesen. Moment.

Mansong fährt hoch, stößt die Knaben beiseite. „Was?" brüllt er. Die Fächer fallen raschelnd zu Boden, als die Leibwächter nach ihren Speeren greifen, die Vögel verstummen, die königlichen Fliegenklatscher verdoppeln ihr Bemühen. Mansong steht jetzt neben der Hängematte, riesig, furchterregend, mit mahlenden Kiefern wie ein Flußpferd, das man aus dem Schlamm aufschreckt.  - T. Coraghessan Boyle, Wassermusik. Reinbek bei Hamburg 1990

Negerkönig (2, brasilianischer)  Mitten in der Fluchtburg lag ein Felsenwachtturm. Dorthin begab sich der König, bedrängt von den Verfolgern. Die letzten Stunden des Kampfes waren die heftigsten; sobald ein Soldat den Fuß auf eine Sturmleiter setzte, um emporzuklimmen, durchbohrte ihm ein Pfeil das Herz oder das Auge. Angesichts der überlegenen Feuerwaffen der Weißen war jedoch kein längerer Widerstand möglich. Und als Zumbi, der letzte König von Palmares, und sein Generalstab sahen, daß sie bei einer Niederlage zu Gefangenen der Weißen werden würden, stiegen sie alle auf den hochragenden Mittelfelsen des Wachtturms und stürzten sich von dort aus auf die untenliegenden Felsen hinab. Besiegt und von der Übermacht erdrückt, unterwarfen sich die Verteidiger von Palmares doch nicht, sie begingen Selbstmord. In der Zitadelle veranstalteten die Soldaten unter den Rauchsäulen der in Brand gesteckten Häuser ein Gemetzel. Sie erschossen oder erstachen die letzten Verteidiger der Negerrepublik. Der Boden war mit verstümmelten Leichen übersät und, während die Strafkommandos in die sechs Wälle der Verschanzung eindrangen, pfählten sie die toten Neger und verwandelten das eroberte Gelände in einen Foltergarten, dessen schwarze Rosen die aufgespießten Menschentorsen waren, die blutigen Tau um sich vertropften. Der schrecklichste Augenblick indes stand noch bevor. Zumbi, den Negerkönig, fand man nämlich dank der unerhörten Widerstandskraft seines Leibes unter den Leichnamen derer, die sich vom Felsen herabgestürzt hatten, noch am Leben. Sein Gesicht war vom Sturz angeschwoUlen. Noch mit gebrochenem Kiefer und ohne Wange, die Zähne bleckend, ein Auge angeschwollen und geschlossen, beeindruckte dieses Gesicht durch seine Größe, durch die Würde des Unglücks, durch die Hoheit, die es noch in Niederlage und Zerstörung ausstrahlte. Eilig errichteten die Eroberer einen Galgen mit seinen Stützstreben und wanden den von Schwerthieben durchbohrten Leib Zumbis daran empor. Sie legten dem heldenhaften Negerkönig ein Seil um den Hals und hängten ihn auf. Die Frauen, die besiegten Krieger und die Alten seiner Rasse wohnten seinem Todesstöhnen bei und erfüllten den Frieden der Einöde mit ihren Klagerufen. Als Zumbis Leib in den geweiteten Pupillen von Andreas Furtado de Mendonça zu zucken aufhörte, lief er auf den Galgen zu und zerschnitt mit einem Schlag die starke Schnur, welche den Leichnam festhielt. Dumpf schlug der Körper auf dem Boden auf. Der Hauptmann aus São Paulo rief einem Mann aus Domingos Jorge Velhos Truppe zu: »Schneid ihm den Kopf ab!« Alsbald brachte man ihm die blutige Trophäe; sie wurde eingesalzen und dem Gouverneur von Pernambuco, Caetano de Mello e Castro, überbracht - der Leichnam blieb dort unbegraben liegen und fiel den Nabelschweinen, den Wildschweinen des Sertão, zum Raube, die am Abend scharenweise vom Gebirge herabsteigen und ihren Sägezähnen Arbeit geben. - (stein)
 
 

Neger König

 

  Oberbegriffe
zurück 

.. im Thesaurus ...

weiter im Text 
Unterbegriffe

 

Verwandte Begriffe
Synonyme