ebengeleise Gewöhnliche Tatsachen sind der Zeit eingeordnet, hängen an ihrem Ablauf wie an Fädchen. So haben sie ihre Vorgeschichte und ihre Folgeerscheinungen, die sich eng im Räume stoßen und einander ohne Unterbrechung und Lücke auf den Fersen sind. Das hat seine Bedeutung für Erzählungen, deren Wesenskern Dauer und Folge ausmachen.
Was jedoch mit Ereignissen anfangen, die keinen eigenen Platz in der Zeit haben, mit Ereignissen, die zu spät kamen, erst kamen, da alle Zeit vergeben, verteilt und vertan war, und jetzt wie auf einem Schiff zurückblieben, das ohne Segel und Steuer, den Winden preisgegeben, heimatlos über das Meer irrt?
War die Zeit zu eng für alle Ereignisse? Kann es tatsächlich geschehen, daß alle Plätze in der Zeit ausverkauft sind? Besorgt laufen wir neben dem ganzen Zug der Ereignisse einher, der schon abfahren will.
Um Gottes willen, sollte es tatsächlich keine Art Vorverkauf von Billetten für die Zelt geben? . . . Herr Kondukteur!
Nur ruhig! Ohne überflüssige Panik, wir werden das ganz still und leise im eigenen Wirkungskreis erledigen.
Hat der Leser etwas von gleichlaufenden und zweigleisigen Zeitsträngen
gehört? Ja, es gibt Nebengleise der Zeit, ein wenig illegal freilich und
problematisch, doch wenn man solche Konterbande mit sich führt wie wir,
ein überzähliges Ereignis, das nicht einzureihen ist, darf man nicht allzu
wählerisch sein. Versuchen wir also, an irgendeinem Punkt der Geschichte
auf solche Nebenstränge und Blindgeleise abzubiegen und die illegalen Geschehnisse
auf ihnen abrollen zu lassen. Nur keine Angst. Es wird ganz unauffällig
geschehen, der Leser wird keine Erschütterung spüren. Wer weiß - vielleicht
haben wir, während darüber gesprochen wird, die unsaubere Manipulation
schon hinter uns und fahren schon auf dem blinden Geleise. -
Bruno Schulz, Die geniale Epoche. In: B. S., Die Zimtläden und alle anderen Erzählungen.
München 1966
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