ationalgesicht

 

Einige Tafeln vermischte Nationalgesichter.

Ein Russe, Pohle, Deutscher, zween Türken, ein Engländer.

Nationalgesichter

1) Ein russischer Soldat aus Nisia Nowogret in preußischen Diensten. Rohe, fleischige, gedehnte Plumpheit und Treue. -
2) Ein polnischer Edelmann, besonders durch das Zurückgehende seiner langen Stirne, durch den vorstehenden Bogen seines mit Haaren bedeckten Hinterhauptes - durch den weit hinaufgehenden Hals - als Polake kennbar.
»Der Pohle ist unter den ungebildeten Nationen der Joviale, so wie der Ungar der Cholerische. Alle diese Nationen sind mehr oder weniger Viehhirten, leben in freyer Luft, und sind fern von aller Kultur des Geistes, und allem Kummer wegen eingebildeter Bedürfnisse. Daher ihre vorzügliche Stärke und Behendigkeit, und Schnelligkeit, die in Stumpfheit und Dürre der Lebensgeister bey uns übergeht, die wir den innern Menschen mehr anbauen, nicht heftigere Leidenschaften haben, aber keinen Augenblick des Lebens beynahe ohne dieselben sind.« Aus einem Manuscripte. 

3) Ein geschickter Künstler von Augspurg, ein Deutscher also. Ein starker, wackerer, dreister, arbeitsamer Mann; geradeweg-cholerisch melancholischen Temperaments. So, dünkt mich, kann kein Franzose, kein Engländer aussehen. Freylich ist das Original lieblicher. Aber immer voll Deutschheit - die, wie wir wissen, überhaupt in Vielfältigkeit und Härte der Züge sich äußert.

4) Ein Türke - durch die hervorstehende Augenbraune, die Habichtsnase, Runde des Hinterhaupts, starken Bart - am meisten aber durch den Umriß der Stirne - und des offnen Mundes kennbar, und durch den Blick des hinstaunenden Laurens.

5) Ein in Ungarn erzogener Türke - Die Stirn allein gut; alles andre besonders von der Augenbraune an bis zur Oberlippe schlecht. Auch Wange und Backen haben nichts feines. Im Munde schwebt jedoch ein Hauch von Treue und Liebe mit Verstand.

6) Wie zeichnet sich auch noch in der elendesten Copie der Engländer Garrik aus! Die kurze oben fein gerundete Stirn - das Auge des Tiefblickers; das Bestimmte der Nase, (das freylich mehr dem Garrik, als dem Engländer eigen ist) das zwar im Kupfer ärgerlich vergröberte Nasenloch mit dem äußerst bedeutenden Schättchen gegen die Nasenspitze
- die Muskeln am Auge und der Nase herab gegen den Mund
- der feine, mit Salz bestreute, obgleich wieder vernachlässigte, Mund - das hervorstehende, nicht scharfe, nicht stumpfe Kinn - und die gute Proportion der ganzen Form - kann das alles, ich glaub's nicht - in irgend einem der weisesten Russen oder Mohren, oder chinesischen Gesichte zusammen gedacht werden? - (lav)

Nationalgesicht (2) Devote, wenn sie lange in den mechanischen Andachtsübungen diszipliniert und gleichsam darin erstarrt sind, bringen, bei einer machthabenden Religion oder Kultus, in ein ganzes Volk Nationalzüge innerhalb der Grenzen derselben hinein, welche sie selbst physiognomisch charakterisieren. So spricht Herr Fr. Nicolai von fatalen gebenedeieten Gesichtern in Bayern; dagegen John Bull von Altengland die Freiheit unhöflich zu sein, wohin er kommen4 mag, in der Fremde oder gegen den Fremden in seinem eignen Lande, schon in seinem Gesichte bei sich führt. Es gibt also auch eine Nationalphysiognomie, ohne daß diese eben für angeboren gelten darf. - Es gibt charakteristische Auszeichnungen in Gesellschaften, die das Gesetz zur Strafe zusammengebracht hat. Von den Gefangenen in Rasphuis in Amsterdam, in Bicêtre in Paris und in Newgate in London merkt ein geschickter reisender deutscher Arzt an: daß es doch mehrenteils knochichte und sich ihrer Überlegenheit bewußte Kerle waren; von keinem aber wird es erlaubt sein, mit dem Schauspieler Quin zu sagen: »Wenn dieser Kerl nicht ein Schelm ist, so schreibt der Schöpfer keine leserliche Hand«. - Immanuel Kant, Anthropologie in pragmatischer Hinsicht (zuerst 1798/1800)

 

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