ation   Alle Menschen sind Brüder und einer Gattung, denn der mutige Europäer befruchtet die Schwarze am Senegal wie die Gelbe am Ganges, die Kupferfarbige am Mississippi wie die Aschfarbige in Australien so gut als seine weißen Blondinen. So wie sich Mensch gegen Mensch nach Recht und Pflicht verhalten soll, so sollen es auch Völker gegen Völker halten, und so denkt sich die Vernunft die ganze Menschheit im Bunde, woraus Weltbürgerrecht hervorgeht.

Aber wer in das Land der Buckligen reiset, ist sicher besser daran, wenn er selbst einen Buckel hat, oder handelt weise, wenn er in Ermangelung eines natürlichen sich einen künstlichen aufschnallt. Instinkt - nicht Vaterlandsliebe - macht jedem sein Volk und seine Heimat teurer als das Ausland. Der Fremdling war oder ist leider allerwärts Feind unter ungebildeten Nationen; der Wilde hier aber wird dessen Gastfreund, sobald er Salz und Brot mit ihm gegessen oder ihren Schutz mittels gehörigen Tributs gesucht hat. Unsere Zollhäuser gehen bloß mit etwas mehr Methode zu Werke.

Bei denen, die gar nicht vom Fleck zu bringen sind, ist Vaterlandsliebe nichts als Liebe des Esels für seinen Stall. Diogenes sagte den Bewohnern Sinopes, die ihn verbannten: "Und ich verurteile euch, in Sinope zu bleiben."

Die Idee einer Nation ist aber erst eine Idee des 18. Jahrhunderts, die noch im Anfange der Revolution vielen lächerlich vorkam, denn man kannte nur Adel, Geistlichkeit und Volk! Viele Reisebeschreiber und selbst trockene Statistiker haben indessen Nationalcharaktere und lächerliche Nationalitäten mit so schroffen Pinselstrichen gemalt und aus ihrer Studierstube nach einzelnen Zügen so derbe Machtsprüche über Nationalzüge getan, daß sie sich so lächerlich gemacht haben als jener Reisende, dem der Wind zu Avignon den Hut vom Kopfe nahm, daher er in sein Tagebuch setzte: "Avignon ist heftigen Winden ausgesetzt", und Chancellor, der erste britische Reisende in Rußland, ist nicht der einzige, der da glaubte, die Russen zankten sich um die Ehre, ihn zu fahren, während sie sich zankten, wer ihn nicht fahren wolle.

Es gilt von allen Nationen, was Voltaire von der britischen sagt: "Oben Schaum, unten Hefe, in der Mitte das Beste!" Und jedes Volk liebt seine Nationaltorheiten und Fehler, wie der einzelne. Haben wir nicht selbst Nationalsteckenpferde? Der Brite reitet die Freiheit, der Franzose Anstand und Artigkeit, der Italiener Kunst, der Spanier Andacht, der Holländer Handel, der Norde Branntwein - und der Deutsche? Herkommen und Titel!

Ganganelli verglich die vier gebildetsten Nationen mit den vier Elementen: der Italiener ist das Feuer, der Franzose die Luft, der Engländer das Wasser, der Deutsche die Erde, die trotz ihrer Schwere herrliche Früchte bringt. In den Kolonien fingen die Spanier damit an, eine Kirche zu bauen, die Briten eine Schenke und die Franzosen eine Festung, in der aber ein Tanzsaal sein muß. "Der Spanier scheint verständiger, als er ist, der Franzose ist verständiger, als er scheint, der Italiener scheint es und ist es auch", sagte Karl V. Von uns Deutschen sagte er: "Sie scheinen es nicht und sind es auch nicht." Daher sagte auch das Ausland: "Der Deutschen Genie sitzt in ihren Händen" und Swift recht britisch grob: „Die wichtigsten Erfindungen verdanken wir der stupidesten Nation, den Deutschen." - (kjw)

Nation (2)  Übrigens überwiegt die Individualität bei Weitem die Nationalität, und in einem gegebenen Menschen verdient jene tausend Mal mehr Berücksichtigung, als diese. Dem Nationalcharakter wird, da er von der Menge redet, nie viel Gutes ehrlicherweise nachzurühmen seyn. Vielmehr erscheint nur die menschliche Beschränktheit, Verkehrtheit und Schlechtigkeit in jedem Lande in einer andern Form und diese nennt man den Nationalcharakter. Von einem derselben degoutirt loben wir den andern, bis es uns mit ihm eben so ergangen ist. - Jede Nation spottet über die andere, und alle haben Recht. - (schop)
 
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